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Berlin: Die SPD hat keinen Platz mehr für ihre Ossis

Die SPD-Fraktion gab ihren 19 Parteifreunden, die dem neuen Parlament nicht mehr angehören, einen Abschiedsabend. Alle 19 wurden von Fraktionschef Michael Müller mit Jahreskarten für Museumsbesuche beschenkt.

Die SPD-Fraktion gab ihren 19 Parteifreunden, die dem neuen Parlament nicht mehr angehören, einen Abschiedsabend. Alle 19 wurden von Fraktionschef Michael Müller mit Jahreskarten für Museumsbesuche beschenkt. Nur als Gabriele Schöttler an der Reihe war, tat sich Müller schwer. "Liebe Gabi, bei dir ist es etwas schwierig, weil du ja Senatorin bist", begann er umständlich, "aber wir verabschieden dich heute nur als Abgeordnete". Die Verlegenheit war begreiflich, denn der Stuhl der Sozialsenatorin wackelt. Das Ost-West-Problem daran ist, dass sie die Traumquote Ost und Frau erfüllt.

Nun findet es die SPD-Führung elf Jahre nach der Einheit albern, dass ihr Ost-Abgeordneter Ralf Hillenberg lautstark den Ost-Ruf nach stärkerer Beteiligung der Ossis an Ämtern und Funktionen intoniert hat. Sie sieht in der Quote keinen Beitrag zur inneren Einheit, sondern predigt Qualität. Deshalb ist nach dem gescheiterten Hillenbergschen Versuch, an Stelle des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Walter Momper den Ostler Torsten Hilse zum Parlamentspräsidenten zu machen, auch keine "Entschädigung" bei der Senatsbildung in Sicht. Im Gegenteil, Schöttler könnte kippen. Klaus Wowereit lässt sich jedenfalls keine Personalien aufdrücken.

Da es nach der Verfassung höchstens acht Senatoren geben darf, muss mindestens einer der fünf von der SPD gehen, denn FDP und Grüne fordern je zwei. Finanzsenatorin Christiane Krajewski (von der Saar), Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und Klaus Böger (bisher Schulsenator) gelten als gesetzt. Wowereit wird aber womöglich Schöttler und Innensenator Ehrhart Körting mit Dank verabschieden. Sie haben keine Hausmacht, und er braucht Luft. Er will seinem Quartett frischen Glanz geben, ein weiteres neues Gesicht nach Krajewski, das etwas hermacht; Ost oder West spielt keine Rolle.

Schöttler ist bisher das einzige Ost-Gesicht im Senat. Sie trat 1998 mit ihrer Trumpfkarte Ost und Frau an, sie schaffte damit 1999 ihre Wiederwahl. Diese Karte sticht aber wohl nicht mehr. In der SPD wird ihr angekreidet, dass sie die Kunst der Selbstdarstellung nicht beherrscht, dass sie "keine Persönlichkeit mit souveränem Auftreten und raumfüllender Rhetorik ist". Die von manchen ausgedachte Gleichung - "Je mehr Momper, desto mehr Schöttler" - geht also kaum auf. "Manchmal erledigen sich Personalfragen durch die Ressortverteilung", heißt es in der SPD in Anspielung auf Schöttler und die Ambitionen der Grünen, deren Ressort zu erben.

Auch auf der Ebene der Staatssekretäre ist für die Ossis kaum Platz. Im Gespräch sind zwar Ost-Berliner wie der frühere Lichtenberger Baustadtrat Andreas Geisel, doch es gibt genug Staatssekretäre, und es sollen nicht mehr werden. Auch eignet sich nicht jedes junge Nachwuchstalent gleich zum Verwaltungschef eines großen Senatsressorts. Und sollte sich Wowereit einen neuen Senatssprecher suchen, dann steht schon der Bundessprecher der SPD, Michael Donnermeyer, (West) bereit, der so gut den Wahlkampf organisiert hatte.

Der künftige Ampel-Senat hat nur eine hauchdünne Mehrheit im Parlament, das ihn wählen muss. Folglich ist die Frage einer "Entschädigung" der Ossis trotzdem virulent. Aber wie? Da hört man in der SPD bis- lang nur eine Antwort: "Ach, wenn wir das schon wüssten. Das weiß wohl auch Wowereit noch nicht."

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