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Berlin: Die Stadt ist der Star

Filmgrößen kommen nicht nur wegen der Berlinale. Sie haben den Mythos des neuen Berlin mit geprägt

„Berlin ist wie New York City in den 80ern“, schwärmte die New York Times vor einigen Wochen: „In der Luft knistert eine Kreativität, die nur in einer Stadt entstehen kann, die sich grundlegend ändert.“ Wer ständig hier lebt, bekommt das nicht unbedingt mit. Man braucht den Blick von außen, um zu erkennen, wie die Grenzen von Kunst und Design ausgereizt werden. Vor einigen Jahren wurden Auftritte von Stars wie Leonardo Di Caprio, Michael Douglas und Nicole Kidman noch sehr bestaunt, als sei es ein Kuriosum, dass sich solche Lichtgestalten freiwillig ins olle Berlin begeben. Nach dem weltmeisterlichen Sommer zeigen die Einheimischen ihre Stadt mit neuem Stolz. In diesen Tagen herrscht in den vielen Luxus-Hotels, die seit dem Fall der Mauer emporgewachsen sind, blendendes Starglimmern, und zwar durch alle Generationen, von Lauren Bacall und Clint Eastwood über Robert De Niro und Sharon Stone bis zu Jennifer Lopez und Antonio Banderas. Und weil sich in Hollywood rumgesprochen hat, dass in Berlin der Bär steppt, kommen manche Stars, wie Natalie Portman, einfach nur so zum Spaß vorbei. Weil eh alle hier sind, weil es tolle Clubs gibt, Geschäfte mit abgefahrener Mode und die heißesten Partys sowieso.

Die Liebesaffäre der Stars mit Berlin begann mit dem neuen Jahrtausend, kurz nach dem Umzug des Filmfestivals zum Potsdamer Platz. Das lag nicht daran, dass der rote Teppich so viel grandioser inszeniert werden konnte als im alten Westen.

Es war eine neue, eine wunderbare Stadt, die sich ihnen offenbarte, und die Hollywoodgrößen gehörten zu den ersten, die das in vollem Umfang erkannten.Tatsächlich waren die großen Berlinale-Stars maßgeblich daran beteiligt als globale Meinungsführer den Mythos vom neuen, inspirierenden Berlin auf den Weg zu bringen. Schließlich machen sie ihre Millionen damit, dass sie alle Sinne schärfen für die Höhen und Tiefen menschlicher Gefühlswelten, dass sie sich wirklich große Ereignisse jederzeit vergegenwärtigen können. Auch wenn sie schon eine Weile her sind. Jack Nicholson, George Clooney, Kevin Spacey, Kirk Douglas, Susan Sarandon, viele von denen, die in den vergangenen Jahren aus Anlass der Berlinale gekommen sind, kennen die Geschichte des Kalten Krieges aus der Los Angeles Times und aus unzähligen Spielfilmen. Irgendwann standen sie dann mal am Brandenburger Tor und haben nachvollzogen, wie hier ein Jahrzehnte währender Krieg friedlich zu Ende gegangen ist. Wo lange ein wüstes Niemandsland war, erheben sich nun Beispiele futuristischer Architektur. Dustin Hoffman erkannte vor vier Jahren, wie perfekt man Berlin nutzen kann als symbolhaften Ort für das Gute, das entsteht, wenn ein Krieg ohne Gewalt beendet wird. Sein leidenschaftliches Plädoyer bei „Cinema for Peace“ gegen den Irak-Krieg kurz vor dessen Beginn ging vor vier Jahren vom Gendarmenmarkt rund um die Welt. Das gab noch einmal einen Schub.

Viele tanzten über die Jahre im 90 Grad und in den anderen angesagten Clubs, ausgelassene, glückliche Stars, die sich in verwitterten Lofts und romantischen alten Bahnhöfen zur Musik angesagter DJs amüsierten. Mal sitzen die Leinwandhelden zwischen modernen chinesischen Bildern bei gebackenen Garnelen und Teigtaschen im China Club und lassen sich im Februarwind von der Terrasse aus die neuen Gebäude ringsum erklären. Mal gehen sie ins Pergamon Museum, mal ins Jüdische Museum. Dustin Hoffman schickte seine Tochter zum Studieren nach Berlin und kam selber wieder. Jerry Lewis blieb eine ganze Weile im Ritz-Carlton, um an einem Drehbuch zu schreiben. Norman Mailer, der seine Beziehung zu Berlin mal mit dem Beginn einer leidenschaftlichen Liebe verglich, kam öfter inkognito.

Die Berlinale wirft ein Schlaglicht auf einen Trend, der sich übers Jahr fortsetzt. Berlin ist Thema in den hippen Restaurants in Los Angeles und New York, an Drehorten in aller Welt. Sicher tauschen sich die Film-Diven aus über die besten Shopping-Ziele rund um den Gendarmenmarkt, über „The Corner“ oder Joops Wunderkind-Boutique. Wenn Antonio Banderas und Jennifer Lopez rund um die Hackeschen Höfe spazieren gehen, finden sie überall schräge Geschäfte mit überraschendem, jungem deutschen Design, internationale Flaggschiffläden, wie „Boss“ oder Special-Interest-Boutiquen, wie die mit den Flip-Flops, auf denen Liebesgedichte abgedruckt sind.

Sogar der Geruch hat sich verändert. Lysol und Hausbrand sind fast verschwunden, dafür duftet es nach einer Mischung aus frischem Kaffee, Laugengebäck und Fruchtcocktails. Natürlich riecht es auch noch nach Februar und Nieselregen. Aber das stört nur die Berliner.

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