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Berlin: Die Stadtmission bietet Kindern Freizeitvergnügen und Eltern Gespräche über den Glauben

Der große Keller platzt fast vor kindlicher Energie. Mitten im Raum schichten drei Jungen mit Hilfe eines Vaters die Legosteine zu einem Turm bis unter die Decke.

Der große Keller platzt fast vor kindlicher Energie. Mitten im Raum schichten drei Jungen mit Hilfe eines Vaters die Legosteine zu einem Turm bis unter die Decke. In der Spielküche fegt ein rabiater Blondschopf die Teller und Bestecke vom Tisch und wirft mit den Bechern um sich. Hinter einem Pfeiler balgen sich zwei ältere Jungen um die offene Kekstüte, das Mädchen mit dem dunklen Pfedeschwanz ist auf der Kletterburg ausgerutscht und heult aus voller Kehle. Gleich hinter ihr quietschen drei Kinder auf den Schaukeln vor Vergnügen. Auf Sesseln und Sofas oder auf dem Boden sitzen die Eltern mitten im lautstarken Gewimmel, halten sich an einer Tasse Tee fest und blicken zufrieden auf ihren Nachwuchs.

Es ist Dienstagnachmittag, und der grösste Berliner "Winterspielplatz" in der Kreuzberger Johanniterstraße läuft auf Hochtouren. "Ich wüsste gar nicht, wie wir ohne den Spielplatz über den Winter kämen", seufzt eine Mutter. Denn wenn die Tage kürzer und die Freiluft-Spielplätze nass und matschig werden, haben Eltern ein Problem: Wohin mit den Energien ihrer Kleinen, die sich im Sommer zwischen Schaukel und Schaufel entladen, wenn jeder Ausrutscher im glitschigen Herbstlaub zur kalt-nassen Katastrophe wird? In Kreuzberg gibt es seit fünf Jahren eine Lösung für das Dilemma: Seit 1994 bietet die evangelische Stadtmission in einem 200 Quadratmeter großen Kellerraum den "Winterspielplatz" an: Einen Raum, vollgestopft mit Schaukeln, Murmelbahnen, Matratzenlagern, Spielhäusern und allem, was ein gut sortierter Spielzeugladen zu bieten hat. Für die Eltern gibt es eine Teeküche, ein weiches Second-hand-Sofa und vor allem die Chance, dass sich ihr Kind auch im Winter müde spielt.

An drei Nachmittagen und zwei Vormittagen der Woche herrscht in der Johanniterstraße fröhliches Tohuwabohu. Im vorigen Winter hat Andreas Berthold, der die kleine Gemeinde mit 60 Mitgliedern als Stadtmissionar leitet, etwa 8000 Besuche gezählt. Wie auf einem herkömmlichen Spielplatz liegt die Aufsichtspflicht bei den Eltern, die Gemeinde wartet lediglich die Spielgeräte. Probleme mit Versicherungsfragen oder behördlichen Genehmigungen gab es nicht.

Das Konzept ist so erfolgreich, dass es Nachahmer findet: In Wedding gibt es einen zweiten Winterspielplatz, erzählt Berthold, und diesem Monat soll in Tegel ein dritter eröffnen.Nur das Geld ist knapp: 40 000 Mark kostet der Betrieb von Oktober bis April trotz ehrenamtlicher Mitarbeit von Vätern und Müttern, etwa die Hälfte kommt aus Spenden der Eltern oder Firmen. Die andere trägt der Verein Stadtmission, staatliches Geld gibt es nicht. "Allein der Winterspielplatz ist ja fast ein Grund, wieder in die Kirche einzutreten", sagt lachend die Mutter des einjährigen Max Lukas. Für Andreas Berthold ist der Spielplatz allerdings kein Mittel zur Missionierung. "Vor fünf Jahren war meine Tochter Isabell eineinhalb und wir hatten genau das gleiche Problem wie andere Eltern, als der Spielplatz gegenüber zu nass wurde." Der Keller stand ohnehin leer, wie auch jetzt im Sommer meistens noch. Warum also nicht einen Raum schaffen, zum Spielen für die Kinder, und zur Begegnung für die Eltern?

Einmal im Monat können die Kinder im angrenzenden Gemeinderaum in der "KleineKinderKirche" singen und spielen. "Nach meinen Erfahrungen ist für viele Mütter die Geburt eines Kindes ein Anlass, über Religion und Gott neu nachzudenken", sagt Berthold. Einige junge Familien sind denn auch über den Winterspielplatz zur kleinen Gemeinde gestoßen. Doch klassische Bekehrungen gibt es im Kreuzberger Kinderkeller kaum: Der Gesprächskreis, in denen der "christliche Glaube kennengerlernt und eingeübt werden kann", so eine Broschüre, sind schlecht besucht. "Das geht den meisten zu weit", sagt Berthold. Für den geringen Erfolg eines solchen Abendtermins weiß er auch einen ganz profanen Grund: "Dafür brauchen die Eltern dann ja wieder einen Babysitter."Winterspielplatz der Berliner Stadtmission, Gemeinde Kreuzberg, Johanniterstraße 2, 10961 Berlin, Tel. 691 90 00, Dienstag, Donnerstag, Sonntag 15 bis 18 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 9.30-12.30 Uhr.

Bernhard Pötter

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