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Berlin: Die Stille nach dem Beschluss

Der Bundestag macht den Weg frei für den Abriss des Palasts der Republik Zuvor warben die Verteidiger des Bauwerks ein letztes Mal für ihre Position

Sie wollen sich nicht geschlagen geben. Aber sie wissen, dass sie den Abriss nicht mehr stoppen können. Knapp sechs Stunden vor der Abstimmung, bei der die Mitglieder des Bundestags in ihrer großen Mehrheit für den Abriss des Palasts der Republik stimmen, hat das Bündnis für den Palast zur Pressekonferenz geladen. Trotzig sitzen sie am Donnerstagmorgen auf Klappstühlen in einem leeren Laden an der Spandauer Straße, den sie zum Info- Büro umfunktioniert haben und geben noch einmal ihre Positionen zu Abriss und Neubau zu Protokoll.

Im Bundestag hat derweil der Sitzungstag begonnen. Die Stimmung in den locker besetzten Sitzreihen der Parlamentarier ist entspannt. Niemand hier rechnet damit, dass die Abgeordneten ihre Entscheidung von 2003 revidieren werden und den Palast nun doch stehen lassen wollen. Zu eindeutig waren die vorangegangenen Entscheidungen im Bau- und Kulturausschuss des Parlaments.

Im Info-Laden der Palast-Freunde macht sich trotz der Bekenntnisse, mit einem Abriss-Beschluss nicht die Hände in den Schoß zu legen auch Ernüchterung breit. Das Palast-Bündnis um die Sophiensäle-Chefin Amelie Deuflhard und den Architekten Philipp Oswalt will den Abriss und den geplanten Neubau kritisch begleiten, die Arbeiten dokumentieren und gegenrechnen, was das Experiment in Berlins Mitte kostet.

Um die Mittagszeit haben die drei Berliner SPD-Abgeordneten Detlef Dzembritzki, Jörg-Otto Spiller und Swen Schulz ihre Erklärung fertig und schicken sie per E-Mail hinaus in die Welt. Darin erklären sie, warum sie bei der für den Nachmittag angesetzten Abstimmung im Bundestag für den Antrag der Grünen stimmen werden, den Palast so lange stehen zu lassen, bis die Finanzierung und die Pläne für einen Neubau stehen. Sie stellen sich damit gegen ihren Bauminister. Und gegen Wolfgang Thierse, der sich vehement für den Abriss einsetzt.

Die Mitglieder des Palast-Bündnissen schöpfen daraus Mut, kündigen weitere Aktionen an. Auf dem Schlossplatz, während der Bauarbeiten, und anderswo. Konkreter werden sie nicht. Auch zu Spekulationen, ein Teil des Bündnisses werde sich militarisieren, sagen sie nichts. Um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, hatte das Bündnis bereits in den vergangenen Tagen auf Protestaktionen verzichtet. „Es muss sich der Rauch jetzt erst einmal verziehen“, sagt Philipp Oswalt. Am Nachmittag sitzen ein gutes Dutzend Mitglieder des Palast-Bündnisses im Reichstag auf der Tribüne. Sie wollen dabei sein, wenn die Entscheidung fällt.

Unten im Plenum entzündet sich eine lebhafte Debatte. Gregor Gysi sieht den Kalten Krieg wieder heraufziehen, Redner von Union und FDP brandmarken den Palast als Schandfleck, der wegmüsse. Für Friedbert Pflüger, wahrscheinlich bald CDU-Spitzenkandidat für die Wahlen in Berlin, steht der Palast für eine SED-Identität, eine Mehrheit für den Wiederaufbau des Hohenzollern- Schlosses sei wahrscheinlich.

Aber wann ist es soweit? Nach der Abstimmung gibt sich SPD-Mann Schulz nüchtern: „Ich glaube nicht, dass die Finanzierung für das Humboldt-Forum klappt“, sagt er, „wir werden über Jahrzehnte dort eine Wiese haben.“ Auch die Berliner CDU-Abgeordnete Monika Grütters rechnet nicht mit einem Baubeginn in den nächsten Jahren, hält die Prognose von Bauminister Tiefensee, dass es 2012 losgehe, für „ehrgeizig“ angesichts der Kassenlage. In der Zwischenzeit kann sie sich einen „Central Park East“ vorstellen.

Die Mitglieder des Palast-Bündnisses lassen sich an der Garderobe ihre Mäntel geben. Sie trotten zum Ausgang, ehe das Ergebnis bekannt wird. Dass einige Abgeordnete der SPD nicht für den Abriss stimmen, werten sie als Erfolg. „Immerhin“, sagt eine und zieht ihre „Rettet-den-Palast“-Mütze auf.

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