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Freche Frauen. In Kanada, England, USA und jetzt auch in Berlin.

© www.flickr.com User -schreient-

Update

Demonstration: Slutwalk: Am Samstag kommen die Schlampen

Slutwalks sind eine Bewegung aus Kanada, bei der junge Frauen gegen sexuelle Gewalt und gegen deren Verharmlosung in der Gesellschaft demonstrieren. Beim ersten Berliner Marsch sind auch Männer eingeladen.

Es ist an der Zeit auf die Straße zu gehen, findet Meredith Haaf. Die Mitbegründerin des Feminismus-Blog „Maedchenmannschaft.net“ und Co-Autorin des Buches „Wir Alpha-Mädchen – Warum Feminismus Spaß macht“ hat genug über den Geschlechterkampf gelesen, geschrieben, geredet. „Ich habe das Gefühl, die Leute haben die Schnauze voll von der Theorie“, sagt die Berlinerin. Es ist Zeit zu demonstrieren. Und zwar nicht mit einer stillen Mahnwache, sondern so schrill, laut und frech wie bei den Slutwalks in Kanada, USA, Australien, England, Frankreich und vielen anderen Ländern. Dort stöckelten bereits seit April Zehntausende Demonstrantinnen in Highheels und knappen Klamotten durch die Städte und verkündeten: „Ja, ich bin eine Schlampe!“ Am Samstag marschieren sie nun auch in Berlin, um 15 Uhr ab Wittenbergplatz. Die Demoroute führt über den Nollendorfplatz und den Potsdamer Platz bis zum Gendarmenmarkt, wo die Abschlusskundgebung stattfindet.

Auslöser der Protestwelle war die Bemerkung eines kanadischen Polizisten. Frauen sollten sich nicht „wie Schlampen kleiden“, um sexueller Gewalt vorzubeugen. Dass das ein Mythos ist, ist statistisch längst belegt. Mittlerweile hat der Polizist sich entschuldigt. Doch die Worte traten eine Diskussion los, die fast in Vergessenheit geraten war.

Der Fall in Kanada sei „exemplarisch dafür, welche Meinungen in weiten Kreisen verbreitet sind“, sagt die Slutwalk-Unterstützerin Carola Klein vom Beratungszentrum für Vergewaltigungsopfer LARA. „Es wird quasi eine Legitimation für Grenzüberschreitungen erteilt.“ Klein kommt das sehr bekannt vor. Selbst vor Gericht werde den Opfern sexueller Übergriffe häufig eine Mitschuld unterstellt. Mit einem solchen Vorbild vor Augen bleiben auch tradierte Strukturen und Denkweisen in der Bevölkerung bestehen. „Die entscheidenden Zeichen kommen mit dem Slutwalk jetzt von unten. Wir hoffen, dass sie oben ankommen“, sagt Klein.

Die Lust an der Provokation stößt auf Kritik. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

3000 Teilnehmer sollen es am Samstag in Berlin werden, sagt Anne Wizorek, Sprecherin des Slutwalk Berlin. Angekündigt haben sich unter anderem eine Gruppe des Transgenialen CSD und die Prostituierten-Vereinigung Hydra. Auch die Autorin Charlotte Roche will teilnehmen, hat aber nicht definitiv zugesagt.

Die selbst ernannten Schlampen marschieren gegen sexuelle Gewalt und gegen deren Verharmlosung in der Gesellschaft. Sie fordern Respekt und ein Recht auf Selbstbestimmtheit, auch und gerade was den Kleidungsstil angeht.

Mit dem Slutwalk gehen die Feministinnen zum optischen Frontalangriff über. Sie wollen für ein Thema sensibilisieren, indem sie es überreizen. Kann das funktionieren? Ernsthafte Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Sie hängt sich an dem Label „Slut“ auf oder verurteilt die Protestform als kontraproduktiv, tut sie mitunter als „prollig“ ab.

"Ob man mit 'humorvollen Sprüchen und Parolen' einem äußerst ernsthaften Problem gerecht werden kann, wagen wir zu bezweifeln", sagt Frauke Jung-Lindemann von den Liberalen Frauen Berlin. Sie fürchtet zudem, dass sich der Slutwalk von einer politischen Protestbewegung zur einer "kommerziellen Massenveranstaltung entwickelt wie der Christopher Street Day".

Meredith Haaf lässt sich nicht beirren. Für sie heiligt der Zweck die Mittel: „Die Provokation ist absolut notwendig.“ Ihre Hoffnung: „Junge Frauen können mit einer solchen spaßigen Aktion wieder auf den Geschmack kommen, zu demonstrieren. Man muss sich nicht dafür schämen, dass es Spaß macht.“ Frischer Wind also für eine Debatte, die bisher von „sowieso privilegierten Frauen“ dominiert wurde.

Wie das am Samstag aussieht, ist noch völlig offen. Eine Kleiderordnung gibt es nicht. Auch Männer sind ausdrücklich aufgerufen, mitzumachen. Vielleicht entpuppt sich der Schlampenmarsch dann als eine stinknormale Berliner Demo – mit Schlabberhosenlook und Zottelfrisuren. Irgendwie schlampig eben.

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