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Berlin: Die Super-Nachfolgerin

Ingeborg Junge-Reyer soll Ende April das größte Senatsressort übernehmen: Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, Umwelt, Verkehr

Eine Frau der vielen Worte war sie noch nie. Sie redet ohne Umschweife, sachlich, eher nüchtern, stets auf den Punkt. Wie es in ihr aussieht an einem solchen Tag sagt sie nicht. Gefreut habe sie sich über den Vorschlag von Klaus Wowereit, die Nachfolge von Peter Strieder anzutreten und Stadtentwicklungssenatorin zu werden, „eine hervorragende Herausforderung aus Respekt vor dem Ressort“. Ein Super-Ressort ist es, das die 57-jährige SPD-Politikerin da geerbt hat. Ab Ende April soll sie die Senatsverwaltungen für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr übernehmen.

Hätte es Wetten gegeben im Vorfeld eines möglichen Rücktritts von Peter Strieder, wer aus seinem Haus die Nachfolge antreten würde, sie wären deutlich ausgefallen. Hans Stimmann wäre der Favorit gewesen. Der Senatsbaudirektor verantwortet in der Verwaltung schließlich das Kern-Ressort, die Stadtentwicklung. Anders als seine Kollegin versteht sich Stimmann aber zunächst als Planer und dann erst als Politiker. Ingeborg Junge-Reyer, bislang Staatssekretärin für Bauen und Wohnen in der Strieder-Verwaltung, wollte immer gestalten in der Politik.

1946 im sauerländischen Breckerfeld geboren, studierte sie zunächst Germanistik und Geographie und dann an der Berliner Verwaltungsakademie, wo sie als DiplomKameralistin abschloss. 1977 wurde sie Angestellte im Bezirksamt Kreuzberg und 1989 zur Stadträtin für Soziales, Gesundheit und Finanzen berufen. Ihr Chef im Bezirksamt: Peter Strieder. Er war drei Jahre später Kreuzberger Bezirksbürgermeister geworden. In der Folge bleiben beide immer wieder beruflich miteinander verbunden. 2002 holte Strieder sie als Staatssekretärin in seine Verwaltung.

Sie ist eine ruhige Vertreterin, sachlich hoch geschätzt, kompetent und hat vor allem die Gabe zuzuhören. Ingeborg Junge-Reyer gilt in der Berliner SPD schon lange als Kandidatin für ein Senatorenamt. Zuletzt sprachen die Genossen darüber laut und öffentlich, als sie sie im November 1997 zur Landesschatzmeisterin wählten und ihre Wahl zugleich mit viel Lob über die damalige Kreuzberger Stadträtin garnierten. In der SPD zählte vor allem ihre Fähigkeit, sich für soziale Themen einzusetzen und auch, möglichen Kontrahenten die Stirn zu bieten. So scheute sie damals auch keinen Konflikt mit dem CDU-Innensenator Jörg Schönbohm – und setzte sich Dank ihrer Beharrlichkeit durch.

Mit dem Senatorenamt hatte es indes bis zuletzt nicht geklappt. Mal erfüllte sie die Ost-Quote nicht und musste bei der Nachfolgefrage für die Ex-Senatorin Christine Bergmann anderen den Vortritt lassen. Dann sollten keine neuen Versorgungsansprüche entstehen, weshalb sie nicht in höhere Ämter wechseln konnte. Jetzt ist die SPD froh, auf sie zurückgreifen zu können. Neben ihrer Reputation zählt vor allem: Mit Ingeborg Junge-Reyer bessert die SPD ihr Frauen-Defizit im Senat aus.

Ingeborg Junge-Reyer ist verheiratet mit einem Richter, wohnt in Reinickendorf zusammen mit einem befreundeten Ehepaar unter einem Dach. Das Haus haben sich die vier zusammen gekauft. Kinder hat sie nicht. Hobbys auch nicht. Sie gilt als emsig und hat eine große Ausdauer, was Aktenstudien und Diskussionen angeht. Während Peter Strieder als Senator immer wieder nur kurz Zeit hatte für die turnusmäßigen Sitzungen der Berliner Baustadträte, blieb Ingeborg Junge-Reyer immer dabei. Und mischte sich bei den Diskussionen kräftig mit ein. Das machte Eindruck. „Ich freue mich, dass auf diesem Leitungsposten endlich einmal eine Frau sitzt“, sagt voller Anerkennung eine, die es wissen muss, Dorothee Dubrau, grüne Baustadträtin aus Mitte.

Das Abgeordnetenhaus soll Ingeborg Junge-Reyer am 29. April offiziell zur neuen Senatorin wählen.

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