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Berlin: Die tägliche Elefantenrunde

Zwei Jungbiologinnen haben das niedlichste Forschungsobjekt: den Dickhäuternachwuchs im Tierpark

Die Bewohner des Tierparks Friedrichsfelde sind an diesem frühen Vormittag noch unter sich. Die wenigen Besucher zu dieser Tageszeit verlieren sich auf dem 160 Hektar großen Gelände. Nur bei den Elefanten hat sich schon ein kleines Grüppchen erwartungsvoll versammelt. Zu sehen ist noch nicht viel. Auf einem Teil der riesigen Freianlage macht einer der afrikanischen Elefanten gemächlich seine Morgenrunde – majestätisch schaukelt der graue Riese durch den Staub.

Auf dem Gelände daneben, das seinen asiatischen Artgenossen vorbehalten ist, ist es noch leer. Nur ein Tierpfleger streut gerade frisches Gras aus. „Jetzt kommen sie gleich“, wissen Sara Carreira und Romy Waurich die Aktion zu deuten. Dunkel die eine, lichtblond die andere, erinnern sie an Schneeweißchen und Rosenrot. Doch keine Zeit für Märchen – die beiden jungen Frauen sind Biologiestudentinnen im 8. Semester.

Seit dem 18. April haben die beiden 23-Jährigen die Humboldt-Universität mit dem Tierpark vertauscht. Punkt neun Uhr bauen sie sich dort täglich mit Block und Stift vor der Freianlage der Elefanten auf. Ihr besonderes Augenmerk gilt Horas, Cinta und Yoma – so heißen die drei kleinen Elefanten, deren Geburt am 14. Februar, 3. April und 8. Mai eine Sensation war. Denn nur wenige Zoos können es sich aus Platzgründen leisten, Dickhäuter zu züchten.

Sara und Romy studieren und beobachten die Elefanten, vergleichen Afrikaner mit Asiaten, auch das in verschiedenen Altersgruppen unterschiedliche Sozialverhalten. Jeweils eine halbe Stunde halten sie alle fünf Minuten schriftlich fest, was ihnen mal bei den großen, mal bei den kleinen Elefanten auffällt.

Bis 15 Uhr machen sie das täglich. Die schwarzhaarige Sara hat dabei Heimvorteil. Sie wohnt in Lichtenberg und damit fast um die Ecke. Die blonde Romy hat es nicht so bequem – sie kommt täglich mit dem Zug aus Rauen, einem Dörfchen bei Fürstenwalde. Ihre Studienarbeit im Tierpark macht ihnen Spaß; als es jüngst so heiß war, haben sie sich sogar eine Picknickdecke mitgebracht.

In 14 Tagen löst der Ernst des Lebens – sprich die wissenschaftliche Auswertung – das Vergnügen ihrer sozusagen elefantösen Beobachtungen im Freien ab, ihre Studienjahresarbeit soll daraus werden, eine Art Vorarbeit zum Diplom, das die beiden zielstrebigen Frauen Ende des Jahres angehen wollen. Was sie nach dem Studium machen wollen, wissen sie noch nicht – aber dass es „was mit lebendigen Tieren“ sein soll, darüber sind sich Sara und Romy nicht erst an diesem Vormittag einig.

Das Trio ihrer aktuellen Beobachtungen ist mehr als lebendig. Stürmisch wie kleine Kinder purzeln, rennen und stolpern Horas, Cinta und Yoma gerade aus dem Elefantenhaus ins Freie. Sie balgen und schubsen sich zwischen den dicken Beinen ihrer Mütter um das frische Grün. Nova, Cynthia und Kewa haben alle Rüssel voll zu tun, ihre kecken Sprößlinge zur Räson zu bringen und sich selbst etwas in das Maul zu schieben. Yoma ist dabei als Jüngster nicht nur der Größte, sondern auch der Kesseste unter den drei Halbgeschwistern, die sich den Bullen Ankhor als Vater teilen.

Wie die beiden Älteren wagt der kleine Bulle schon erste Alleingänge, nur entfernt er sich noch nicht so lange von Mutter Kewa und seinen Tanten. Das und mehr haben die Mädchen in den vergangenen Wochen beobachtet. Auch die unterschiedliche Rüsselfertigkeit – Yoma nimmt noch den Fuß zur Hilfe, wenn er wie jetzt mit seinem dünnen Rüsselchen versucht, einen Zweig aufzunehmen. Minuten später tobt das Trio zwischen zwei Felsen – „sie sind Freunde geworden“, sagen die Studentinnen über den Elefantenkindergarten. In dem zieht nach dem anfänglichem Trubel – „das ist jeden Tag am Anfang so“, sagt Romy – langsam Ruhe ein, wie nebenan bei den Afrikanern.

Yoma gar scheint zur Salzsäule erstarrt zu sein – „das macht er oft“, weiß Sara, „da döst er im Stehen eine Runde.“ Horas dagegen teilt sich gerade mit Cinta deren Mutter und tankt eine Runde Milch. „Cynthia ist immer sehr freigiebig“ – ihre Beobachterinnen haben einen besonderen Charakterzug der Elefantenkuh entdeckt. „Manchmal wird es einer der drei Mütter aber zu bunt“, sagt Sara, „da schubsen sie dann ein fremdes Kind auch mal weg.“

Heidemarie Mazuhn

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