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Die Kanzlerin zieht mit. Das Banner der Bewegung in der Hand der Merkel-Darstellerin. Im September 2010 war es noch reiner Spott gegen die Laufzeitverlängerung.

© dpa

Anti-Atomkraft-Demo: "Die Trauer muss man in Wut verwandeln"

Ist eine große Anti-Atomkraft-Demo das richtige Signal nach der Katastrophe in Japan? Veranstalter und Politiker debattieren, rund 100.000 Demonstranten werden am Sonnabend erwartet.

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Nicht nur in Berlin, auch in Hamburg, Köln und München soll protestiert werden. Die Geschehnisse in Japan treiben viele Menschen auf die Straße, die bisher nicht zur Anti-Atom-Bewegung gehörten. Aber ist eine solche Massenkundgebung das richtige Signal nach der Erdbeben-Katastrophe, die so viel Leid über Japan gebracht hat? Oder ist dies ein weiterer Beweis für die Selbstbezogenheit der Deutschen und deren Unfähigkeit zur Anteilnahme, die zum Beispiel der Publizist Klaus Hartung kürzlich im Tagesspiegel kritisiert hat?

SPD, Linke und die Grünen rufen zur Demonstration auf. Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele ist die Demo-Teilnahme eine „Selbstverständlichkeit. Ich gehe seit Jahrzehnten zu fast allen Anti-Akw-Demonstrationen in meiner Nähe.“ Ströbele sieht darin kein Symptom einer Selbstbezogenheit der Deutschen. Die japanische Regierung habe proklamiert, „dass sie mit den Folgen der Katastrophe allein fertigwerden will. Wir bieten wirklich jede Hilfe an“, sagt der Grüne.

„Wir reden viel über Befindlichkeiten. Den eigentlichen Anlass für so eine Demonstration, die menschliche Dimension nach der Katastrophe in Japan lassen wir aber außen vor“, kritisiert CDU-Generalsekretär Bernd Krömer. Die Debatten über Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken, das schwarz-gelbe Moratorium mitten in Wahlkampfzeiten hätten auch in der CDU zu „hektischen Diskussionen“ geführt. SPD und Grüne seien es aber, die die Katastrophe in Japan „instrumentalisiert haben, um ihr eigenes Süppchen zu kochen“. Einen Tag vor den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu einer Anti-Akw-Demo aufzurufen, sei Wahltaktik.

Die Demoroute führt vom Potsdamer Platz bis auf die Straße des 17. Juni.
Die Demoroute führt vom Potsdamer Platz bis auf die Straße des 17. Juni.

© Tagesspiegel

Er demonstriere nicht, damit seine Partei mehr Stimmen bekomme, sagt dagegen Ströbele. „Die Grünen demonstrieren gegen Akws auch, wenn kein Wahlkampf ist, und haben das immer getan.“ Die Partei sei schon immer Teil der Anti- Akw-Bewegung gewesen. „Wir lassen nicht locker und nutzen die Situation, dass alle Parteien endlich über einen schnelleren Ausstieg nachdenken.“

Statt schnellem Ausstieg setzt FDP- Fraktions- und Landeschef Christoph Meyer auf das schwarz-gelbe Moratorium, das Zeit lasse, über den Umgang mit Kernkraft nachzudenken „statt wie SPD, Grüne und Linke Panik zu schüren und Worst-Case-Szenarien an die Wand zu malen“. So eine „moralisch deutlich fragwürdige“ Debatte lasse die „humanitäre Diskussion über die Menschen in Japan völlig außen vor“, sagt Meyer. Wie Krömer wirft Meyer dem rot–grünen Lager vor, die menschliche Tragödie im Wahlkampf zu instrumentalisieren.

Dieser schwarz-gelben Position tritt SPD-Fraktions- und Parteichef Michael Müller entgegen. Auch in Wahlkampfzeiten sei ein klares Statement der Parteien zur Atomkraft erlaubt. „SPD, Grüne und Linke sind nicht erst seit Japan gegen Atomkraft“, sagt Müller. Die Wähler würden von Parteien auch nach einer solchen Katastrophe Aussagen erwarten.

„Es geht hier um Technologien, um eine Zukunftsfrage der Menschheit“, sagt der Parteichef der Berliner Linken, Klaus Lederer. Bei all dem Entsetzen über die Katastrophe in Japan sei es erlaubt, die Betroffenheit auf Deutschland zu lenken.

„Wir rechnen mit 30 bis 50 Bussen und sehr vielen Menschen, die mit dem Zug anreisen“, sagt Demo-Anmelder Uwe Hiksch von den Naturfreunden Deutschland. Hiksch spricht von zwei Formen des Protests, die sich auf der Straße vereinen. „Die einen wollen lieber eine stille Trauer für die Opfer in Japan, die anderen möchten ihren Widerstand jetzt erst recht besonders deutlich und laut zeigen.“ Dafür soll unter anderem der Techno-Laster von „Atomkraft wegbassen“ sorgen, auf dem namhafte DJs auflegen. Ganz still wird es nur um 14.15 Uhr bei einer Schweigeminute für die Toten in Japan. Dass viele nicht nur trauern, sondern lieber konkrete Forderungen an die Regierung stellen, hält Hiksch für genau richtig. 30 Jahre in der Friedensbewegung hätten ihm gezeigt: „Die Trauer muss man in Wut verwandeln.“

Zu den Veranstaltungen unter dem Motto „Fukushima mahnt: Alle Atomkraftwerke abschalten!“ hat ein bundesweites Netzwerk von Anti-Atom-Gruppen und Friedensaktivisten aufgerufen. Künstler und Gewerkschaften unterstützen die Proteste. In Berlin soll unter anderem DGB-Chef Michael Sommer sprechen. Wir sind Helden und weitere Bands geben ein kostenloses Konzert.

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