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Berlin: Die TU übt Tradition

Zurück zum Ritual – mit Musik, aber ohne Talare: Die Technische Universität verabschiedet ihre Absolventen. Ein Professor wünscht sich mehr Studenten mit Schlips

Die frisch gebackenen Doktoren kommen in Sakko, Bluse und Rock. Ihre Professoren empfangen sie mit Schlips und Kragen. Der Vizepräsident spricht über die Verantwortung, die ein akademischer Titel mit sich bringt. Ein Bläserquintett spielt Klassisches und hinterher gibt es ein Gläschen Sekt oder Wein und was zum Knabbern. So feierte die Technische Universität am Freitagabend ihre Absolventen. „Wir geben uns große Mühe, es festlich zu gestalten“, sagt die Protokollchefin der Uni. Doch trotz der hübschen Blumengestecke am Rednerpult und der weißen Papiertischdecken auf den Stehtischen im Foyer des Architektur-Gebäudes: Irgendwie fehlt dieser Feierstunde das gewisse Etwas.

An allen Berliner Universitäten kehren Traditionen des akademischen Lebens, die nach der Studentenrevolte von 1968 über Bord geworfen wurden, allmählich zurück. Kürzlich holte der scheidende Präsident der Freien Universität, Peter Gaehtgens, sogar wieder die alte Amtskette aus dem Schrank, um sie seinem Nachfolger, Dieter Lenzen, bei der Amtseinführung um den Hals zu legen. Der Tagesspiegel machte die Frage, ob Festakte an den Universitäten wieder mit Talar und Amtskette begangen werden sollen, zum Pro & Contra-Thema; knapp 80 Prozent der Anrufer waren dafür. Und von vielen Studenten ist zu hören, dass sie sich würdige Abschlussfeiern wünschen – gerne auch mit Talar und Doktorhut.

Aber wie Hartmut Kenneweg, Direktor des TU-Instituts für Landschafts- und Umweltplanung, sagt: „Wir müssen das wohl noch ein bisschen üben.“ Er bemängelt, dass einige Absolventen keinen Schlips tragen und die angekündigte Würdigung der in den Ruhestand verabschiedeten Kollegen unter den Tisch fiel. TU-Vizepräsident Jörg Steinbach plädiert für „Augenmaß“ bei akademischen Feiern: „Wir sollten nicht alles nachmachen, was die Amerikaner tun.“

Die jungen Frauen und Männer, die gerade ihre Promotionsurkunden bekommen haben, sind indes nicht unzufrieden. Zwei Chemikerinnen finden die Feier „völlig in Ordnung“. Schade nur, sagt Dominique Freckmann, dass so wenige Kollegen gekommen sind. Viele der in diesem Jahr Promovierten seien der Einladung der Universitätsleitung gar nicht gefolgt. Die eigentliche Party steige eben gleich nach der Doktorprüfung, sagt Stefanie Foerster. Da steht die Arbeitsgruppe applaudierend vor der Tür und stülpt den Prüflingen einen Doktorhut über. Anders als in den USA sind diese Doktorhüte selbst gebastelt. Dominique Freckmann bekam einen mit Zitronenteedose und Rastazöpfen geschmückten – Anspielungen auf ihre privaten Vorlieben. Das sei viel lustiger und individueller als in Ländern, wo akademische Riten traditionell gepflegt werden. So solle es bleiben.

Georg Lang, der in mathematischer Physik promoviert wurde, sieht es genauso. Er fand die offizielle akademische Feierstunde „schon nett“. Ein richtiger Festakt mit allem Drum und Dran hätte ihm gar nicht gefallen: „Uni ist halt anonym. Da wäre es doch komisch, wenn es plötzlich übertrieben anders wäre.“ Seine Frau Joanna, die in Krakau studiert hat, sieht es anders. In Polen seien die Universitäten nach dem Ende des Kommunismus schnell zu den schönen alten Traditionen zurückgekehrt – und das sei so wichtigen Ereignissen wie einer Promotion auch angemessen.

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