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Berlin: Die umstrittene Ehre

Zwei Türken sollen eine Schülerin entführt haben, um eine Heirat zu erzwingen. Sie streiten das ab

Die andere Geschichte geht so, dass Muhammet AliB. und Sümeyya K. sich lieben und am 15. März 1999 gemeinsam fliehen, weil Sümeyyas Eltern das Mädchen in die Türkei schicken wollen. Muhammet und Sümeyya sind da schon verlobt, aber ihre Eltern befürchten, dass seine Familie die Hochzeitsfeier nicht bezahlen kann. Und ohne Feier keine Ehe. Also holt Muhammet seine Liebste vor der Schule ab, im Zug fahren sie nach Philippsburg zu Muhammets Verwandten. Dort entjungfert der damals 19-Jährige seine 15-jährige Verlobte. Nun könne sie keinen anderen mehr heiraten.

Das sagte Muhammet Ali-B. am Freitag vor dem Landgericht aus. Dort saßen er und sein Vater auf der Anklagebank, weil sich diese Geschichte in den Akten anders darstellt. Darin steht zwar auch, dass Muhammet und Sümeyya verlobt waren. Doch dann hat das Mädchen die Verlobung gelöst. Danach wurde sie von Muhammet und seinem Vater Ekrem B. vor der Schule abgefangen, in deren Wagen gedrängt und nach Philippsburg entführt, wo man sie „nach türkischer Sitte zu entehren“ und so das „Einverständnis der Eltern“ zu Hochzeit erzwingen wollte. Am Abend hat Muhammet das Mädchen laut Anklage bewusstlos geschlagen und sie anschließend vergewaltigt.

Knapp zwei Monate habe man sie dort festgehalten, sie nicht allein auf die Straße gelassen und immer wieder geprügelt, sagt Sümeyya, inzwischen 20 Jahre alt, verheiratet und im siebten Monat schwanger. Dass sie nicht geflohen sei, begründet sie mit ihrem Alter: „Ich war 15, wo sollte ich denn hin?“ Außerdem habe man ihr gesagt, ihre Familie habe sie verstoßen, weil sie abgehauen sei und auch entehrt. Aber Sümeyya sagt auch Sachen, die der Vorsitzenden Richterin nicht einleuchten: Mal fand die Vergewaltigung im Schlafzimmer der Tante statt, mal in einem Raum über der Küche, mal hat Muhammet ihr davor die Nase gebrochen, mal geschah das an einem anderen Tag. Mal stach er mit einer Gabel in ihren Fuß, mal hat er damit nach ihr geworfen.

Ob sie denn auch mal freiwillig mit Muhammet geschlafen habe? Ja, später auch mal freiwillig. Wieder zurück aus Philippsburg, hatte Sümeyya noch mehrere Wochen bei Muhammet gewohnt. Am 13. Juni 1999 wurde sie von ihren Eltern abgeholt.

Sie habe gehört, sagt die Richterin, dass ein Mädchen, dass willentlich entehrt wurde, nicht wieder in die Familie zurück könne. Wenn das aber gegen ihren Willen geschehe, könne die Familie sie wieder aufnehmen. Der Prozess wird fortgesetzt. ari

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