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Berlin: Die Umzugskisten erst einmal wieder ausgepackt

In Tempelhof herrscht Freude, aber auch Ungewissheit nach der Gerichtsentscheidung zum vorläufigen Weiterbetrieb des Flughafens

In Tempelhof wurden gestern die Umzugskisten wieder ausgepackt. Auch die Polizisten, die zum Teil schon ihre Sachen verstaut hatten, freuten sich, dass der Flughafen nicht bereits Ende Oktober geschlossen wird. Dies hatte das Oberverwaltungsgericht am Freitag, wie berichtet, untersagt. Freude herrscht auch bei den Mitarbeitern. Nur sagen dürfen sie es offiziell nicht; sie haben ein Aussageverbot erhalten.

Die beiden Mitarbeiter bei der Sicherheitskontrolle, die am Samstagmittag wenig zu tun haben, lächeln, als ein Mann auf sie zu eilt und ihnen zum Weiterbetrieb des Flughafens gratuliert. Der Mann akzeptiert auch gelassen, dass es nicht möglich ist, auf eine Besucherterrasse zu gehen. Es gibt keine. Und das einst für Zuschauermassen konzipierte Dach des Gebäudes ist nicht zugänglich. Auch ein Blick aus einem der Fenster des Restaurants im ersten Stock bleibt verwehrt; das Restaurant ist auf Dauer dicht.

Der Flughafen aber bleibt offen. Gegen die Aufgabe der Betriebspflicht, wie es die Flughafengesellschaft beantragt und die Luftfahrtbehörde genehmigt hatte, hatten mehrere Nutzer des Flughafens erfolgreich geklagt. Im Eilverfahren hatte das Oberverwaltungsgericht am Freitag den sofortigen Vollzug ausgesetzt. Der Flughafen bleibt jetzt wahrscheinlich in Betrieb, bis der Ausbau Schönefelds zum Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) rechtskräftig genehmigt ist. Dies wird frühestens für 2006 erwartet.

„Und vielleicht geht der Flugbetrieb sogar noch länger weiter“, hofft ein Mitarbeiter. Die Tempelhofer Beschäftigten fühlen sich wie eine große Familie. „Und die Kunden gehören fast dazu“, sagt ein Mitarbeiter der Flughafengesellschaft. Im Konzern gelten die Tempelhofer als Rebellen, geklagt gegen die Betriebsaufgabe hatten aber Fluggesellschaften. Wie es nun weitergeht, ist ungewiss. Bis auf zwei Ausnahmen hatten alle anderen Linienfluggesellschaften einem Umzug nach Tegel zugestimmt, was die Tempelhof-Befürworter in einem offenen Brief als empörend bezeichneten. Ob sie weiter ab Tempelhof fliegen, ist noch nicht geklärt. Nach Tagesspiegel-Informationen haben Gesellschaften, die Tempelhof bereits Richtung Tegel verlassen haben, dort deutlich weniger Passagiere und liebäugeln deshalb mit einer Rückkehr.

„Wir bieten eben auch Besonderes“, sagt ein Tempelhofer Mitarbeiter stolz. Wo sonst kehrt eine Maschine um, wenn noch ein Fluggast herbeieilt, der sich verspätet hatte? Oder wo sonst wird ein Stammkunde liebevoll umsorgt, von dem die Mitarbeiter wissen, dass er herzkrank ist? Und wo sonst findet der Pudel eines Ehepaares zielsicher alleine den Weg zum Flugzeug? Die Mitarbeiter wollen , dass es so bleibt. Ans Einpacken denken sie jetzt lieber nicht mehr.

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