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Im falschen Film. Nein, der Mann neben Raed Saleh ist nicht Schauspieler Alec Baldwin. Der Regierende Bürgermeister hat nur eine kleine Verwandlung durchlebt: Neue Frisur, legerer Pulli, so zeigte er sich am Sonntag bei der SPD-Klausur in Braunschweig.

© dpa

Die Wandlung des Regierenden: Was sagt uns Wowereits neuer Look?

Im Schlabber-Pulli präsentierte sich Klaus Wowereit am Wochenende. Auch die neue Frisur ist etwas gewöhnungsbedürftig. Das neue Outfit hat etwas zu bedeuten.

Wer über die 30 hinausmarschiert, der weiß: Dieser Mensch, der einen da morgens im Spiegel ansieht, kann irre nerven. Wer später sogar die 60 erreicht, der zieht daraus auch eine Konsequenz. Entweder renoviert er sein Äußeres grundsätzlich – oder lässt alles so laufen, wie die Natur es vorschlägt.

Klaus Wowereit ist nun gut vier Monate lang 60, und er überlegt offenbar noch. Zur Geburtstagsfeier im Oktober sah er eigentlich aus wie immer, aber es mag etwas Symptomatisches darin gelegen haben, dass Michael Michalsky ihm als Präsent was zum Anziehen mitgebracht hatte. Und offenbar wollte auch Udo Walz ein Geschenk.... Darauf kommen wir gleich.

Denn die Historie des Regierenden Bürgermeisters ist, was die Äußerlichkeiten angeht, von einem Grundmotiv geprägt: eitel, der Mann, aber immer fein in Schale. Seine Anzüge lagen von Anfang an weit über dem Berliner Politiker- durchschnitt, preislich wie auch schnittbezogen. Die Krawatten passten dazu, wurden offenbar aus einem großen Fundus geschöpft, dazu gab es stets Schuhe ohne Tadel, allemal genug für den coolen Auftritt an der Seite der üblichen Berliner Modemacher. 2006 bestangezogener Business-Mann, 2008 immerhin noch „bestangezogener Politiker des Landes“ zusammen mit Ole von Beust.

Allerdings ließ er die Krawatte in den Folgejahren immer häufiger weg und kam mit offenem Hemdkragen, nicht zuletzt zusammen mit dem ebenfalls demonstrativ gelösten Frank Henkel, was misstrauische Beobachter schon in der Koalitionsvereinbarung blättern ließ: Nein, nichts über Krawatten drin.

Immer mit der Tolle

Und was ist mit den Haaren? Wowereit war immer der mit der Tolle, und dass diese Tolle systematisch ergraute, fiel nur beim Vergleichen mit alten Fotos so richtig auf. Aber es gab ein anderes Grundproblem, das von Udo Walz kenntnisreich analysiert wurde: „Wowereit hat zu langes Deckhaar, das bei jeder Bewegung ins Gesicht fliegt“, da müsse man mit Gel und Spray nachhelfen. Einfach so hat selbst er die Haare nicht mehr schön, zu erkennen beispielsweise am Prinz-Eisenherz-Look zur Berliner Wahl 2011 – ein echter bad hair day.

Womit wir etwa Anfang 2014 ankommen. Viele zufällige Beobachter fragten sich, was der Hollywood-Schauspieler Alec Baldwin andauernd bei Berliner Terminen zu suchen habe – das ist der etwas ölige TV-Mogul aus „30 Rock“ mit den grauen, stramm nach hinten gegelten Haaren. Nein, sagten Kenner, falsch, das ist Wowereit, der macht das jetzt auch so. Über die Mitwirkung von Udo Walz können wir nur mutmaßen, aber der Effekt entspräche seiner Analyse.

Bitte, Baldwin ist zwar ein wenig füllig, aber immer noch piekfein angezogen, bei diesem Vorbild kann der Souverän eigentlich nicht meckern. Aber was mag nun am Sonntag auf der SPD-Klausur mit Wowereit passiert sein? Ist dieser schluffige mausebraune Pulli, auch noch solo ohne Hemd, die vergiftete Geburtstagsgabe von Michalsky? Oder etwa selbst gekauft? Und was bedeutet er?

Wie ein aufgescheuchter Hausmeister

Im Marketing-Deutsch heißt einer mit dieser Ausstrahlung „Freizeitkönig“: Er hat beruflich die Reiseflughöhe verlassen, mag keine Ehrgeizlinge mehr vom Stühlesägen abhalten, Bequemlichkeit geht längst vor Anspannung, und der Beifall der Türsteher ist ihm wumpe, weil er gar nicht mehr rein will. Aber wie weit darf ein immerhin amtierender Ministerpräsident...? Auf manchen Bildern schaut Wowereit aus wie der Hausmeister, den sie am Sonntag von der Glotze weggeholt haben, weil die Eingangstür klemmt – ein Effekt, der durch die neuen Haare verstärkt wird. Mag sein, dass er sich, püh, für Braunschweig nicht extra aufziegeln wollte, mag aber auch sein, dass dieser Auftritt dereinst in den Biografien als Anfang vom Ausstieg erkannt wird. Folgen bald die gepunkteten Puschen?

Immerhin sind noch weitere Steigerungen möglich, die Natur lässt sie zu. Denken wir an Kai Diekmann, den „Bild“-Chefredakteur, der lange den Gel-Look geradezu prototypisch herzeigte, nun aber nach seiner Wandlung zum digitalen Paulus auch äußerlich abrüstete und fortan den losen Holzfäller gibt, Rauschebart inklusive. Geht Wowereit den gleichen Weg, dann steht Berlin noch einiges bevor, Norwegerpullover, unrasiert? Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Immerhin könnte Klaus Wowereit so ganz überzeugend die Wiederaufforstung des BER-Geländes in Szene setzen – als Aufsichtsrat mit Spaten am ersten Loch.

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