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Berlin: Die Weihnachtserleuchtung

Jahrelang wurde um jede Glühbirne gefeilscht. Diesmal überraschen Ku’damm und Tauentzienstraße mit adventlichen Glanztaten

Was für eine grandiose Licht-Orgie, schwärmen die Leute, wenn sie nachmittags, abends und nachts über den Ku’damm und die Tauentzienstraße bummeln oder fahren: So etwas gab es wohl noch nie! Und die Berliner, wie geblendet, erinnern sich dunkel an vergangene Jahre, als sie stellenweise das Gefühl hatten, die arme Stadt, der klamme Bezirk, die sparsamen Geschäftsleute feilschten gerade hier auf der weltberühmten Meile um jeden Stern. Um jede zusätzliche Glühbirne und um jedes Watt, das den Boulevard zur Vor-Weihnachtszeit ein wenig heller, stimmungsvoller gemacht hätte. Jetzt ist die Erleuchtung da.

Bei Heidi Neujahr rufen in den vergangenen Tagen ständig Leute an und bedanken sich. Wie wunderschön das alles wirke, wie liebevoll. Sie seien abends extra in den Doppeldecker der Linie 129 gestiegen. Hätten sich oben ganz nach vorn gesetzt, um auf dem Ku’damm und der Tauentzienstraße den Sternen ganz nah zu sein. Zwischen Wittenbergplatz und Halensee hin und zurück: Das sei ein Gefühl, als fahre man im Lichtertunnel oder bewege sich im Sternenhimmel. Heidi Neujahr hört das gern und bedankt sich für die Komplimente. Sie ist Mitarbeiterin der Wall AG, die den Weihnachtsglanz bis zum 2. Januar spendiert hat.

Dass die Straße Unter den Linden in Lichterperlen glänzt (Vodafone sponsert das dritte Mal), hatten die Berliner fast schon erwartet, auch dass sich die Friedrichstraße aus Geldern des Handels mit Stern und Schweif putzt. Dass aber Kurfürstendamm und Tauentzienstraße von vorn bis hinten unter einer derart hellen Lichtglocke strahlen, ist neu und überraschend. Zwischen halb fünf nachmittags und halb eins in der Nacht funkelt es allerorts. Selbst bis zum Rathenauplatz hinauf, sonst eher eine schmuckfreie Zone, reicht mittlerweile der Weg der Sterne.

Eigentlich können kalte Zahlen da nur die Stimmung stören: Es sollen mehr als 100 000 Glühlämpchen die Strecke säumen. Hunderte von Laternen und 500 Bäume wurden mit Lichterketten dekoriert. Wie Blätter sehen die Lämpchen an den Kabelketten aus, als hätten die Bäume Laub, das leuchtet. Und wer sich das oben vom Doppeldecker ansieht, erkennt an vielen Stellen kaum noch die Häuser am Straßenrand. Die Geschäftsleute müssen sich schon anstrengen, um gegen die Lichterflut nicht zu verblassen, und viele legen sich auch kräftig ins Zeug, setzen eins drauf: Wertheim beispielsweise hat das Fassadendach mit hohen roten Kerzen dekoriert, das Warenhaus erinnert damit fast an eine große Geburtstagstorte.

Unten auf der Straße hat Wall Rentiere ins Rennen geschickt, eine Vielzahl von Pyramiden und einen acht Meter großen Weihnachtsmann am Europa-Center aufgestellt. Zwischendurch bringt sich, in dezentem Abstand, der Sponsor in Erinnerung und wünscht Passanten, BVG-Gästen und Autofahrern – die oft wegen des ablenkenden Lichts etwas irritiert wirken – frohe Festtage. Rund 300 000 Euro hat sich das Unternehmen sein 20-jähriges Jubiläum in dieser Form kosten lassen. Mindestens drei Jahre soll es so oder gar noch heller weitergehen. Und weil Wall sich in „Stadtmöbeln“, weniger aber in Lichttechnik auskennt, hat die Berliner Firma Boehlke Beleuchtungstechnik das alles installiert, wie auch die Lichterketten Unter den Linden, in der Schloßstraße, in der Karl-Marx-Straße. Mehr als 60 große Lichtprojekte betreut das Unternehmen gerade in der Stadt.

Am Ku’damm wurde mit den Vorbereitungen schon Mitte Oktober begonnen. Weithin unbemerkt und nachts, um nicht zu stören. Bergsteiger und Fassadenkletterer waren im Einsatz, verlegten in den Bäumen Kabel, bauten in Laternen Schaltuhren ein. Bis zu 200 Leute hangelten herum, montierten und probierten.

Techniker fahren auch jetzt jeden Abend die Strecke ab, schalten zu, schalten ab, kontrollieren beispielsweise den hohen kristallen-leuchtenden Ballon- Iglu, der auf dem Breitscheidplatz steht und den Wasserklops wie ein Eierwärmer umhüllt. Auch der Iglu stammt von Boehlkes, aber den hat der Schaustellerverband gesponsert.

„Regen, Feuchte, Sturm sind unser Hauptproblem“, sagt Firmenchef Andreas Boehlke. Nennenswerte Schäden habe es bislang nicht gegeben. Einige Lämpchen machten zwar nach ein paar Tagen schlapp, in Halensee verlosch ein großer Stern, aber das fiel im Lichtergewirr kaum auf. Im letzten Jahr wurde Unter den Linden irgendwo mal von bösen Buben ein Stecker herausgezogen. Die Linden waren plötzlich ziemlich dunkel. So wie sonst immer im Jahr.

Christian van Lessen

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