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Kontra gegeben. Seit Jahren wenden sich Anwohner im uckermärkischen Haßleben gegen die Pläne für eine Schweinemastanlage. Fotos: p-a/dpa/Ptrick Pleul

© picture-alliance/ ZB

Berlin: Die Widerborstigen

In der Uckermark wird gegen und für eine gigantische Schweinemastanlage gekämpft. Es geht beiden Seiten ums Prinzip.

Von Matthias Matern

Haßleben - Sternfahrten, Unterschriftenlisten, Widerstandsfeste – bislang hat Harrie van Gennip alles abperlen lassen. Zwar hat er gerade erst seine Pläne abgespeckt, doch beim Ziel gibt es kein Vertun: Seit knapp zehn Jahren will der niederländische Investor im uckermärkischen Haßleben die Schweinemastanlage wieder aufleben lassen, die zu DDR-Zeiten dort ansässig war. Genauso lange laufen die Bürgerinitiative „Kontra Industrieschwein“, viele Grünen-Politiker und Umweltschützer Sturm gegen die Pläne. Befürchtet werden eine enorme Geruchsbelästigung und gravierende Folgen für die Umwelt durch die anfallende Gülle. Doch der Investor bleibt hartnäckig: „Wir wollen und werden Haßleben wieder zum Leben erwecken“, versichert sein deutscher Berater, Helmut Rehhahn.

Bis zu 146 000 Tiere wurden bis 1991 in Haßleben gehalten. Van Gennip, der auch zwei Großanlagen in Sachsen-Anhalt betreibt, will zwar weit weniger Schweine mästen, doch aus Sicht seiner Gegner noch immer eine ungeheuerliche Menge. Ursprünglich hatte van Gennip mit insgesamt 67 000 Tieren geplant. Dann wurde bekannt, dass er bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Landesumweltamt, einen Änderungsantrag eingereicht hat. Laut Rehhahn sollen nun 3300 Mastschweine, etwa 5200 Sauen und zusätzlich Ferkel in den modernisierten DDR-Ställen untergebracht werden. Die Gesamtzahl der Tiere schätzt der Agrarberater etwas widerwillig auf etwa 30 000. Die Folge der Streichaktion: Das Genehmigungsverfahren verzögert sich erneut, weil die veränderten Unterlagen erneut geprüft werden müssten, heißt es aus dem Landesumweltamt. Dabei hatte die Behörde nach acht Jahren Bearbeitungszeit und unzähligen Gutachten sowie Prüfungen in diesem Frühjahr eine Entscheidung fällen wollen.

Die Verkleinerung sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, meint die Agrarexpertin der Grünen im brandenburgischen Landtag, Sabine Niels. Dennoch sei die Anlage immer noch zu groß. Gerade erst haben die Grünen einen Antrag im Landtag eingebracht, der von der Landesregierung Schritte gegen die Massentierhaltung fordert. Bei der Debatte im Plenum haben sie zusammen mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz vor dem Landtagsgebäude demonstriert. Mit einem aufblasbaren Riesenschwein wurde auch erneut gegen van Gennips Pläne in Haßleben protestiert.

Längst sind die Fronten verhärtet, ist Haßleben zum Symbol geworden: Für den Kampf gegen eine skrupellose Massentierhaltung einerseits, aber auch für versnobte Besserwessis, die der Landbevölkerung jeglichen Fortschritt verbauen, damit ihre Landidylle nicht gestört wird und dabei 54 neue Arbeitsplätze verhindern. Frank Skomrock, Sprecher der Haßlebener Interessengruppe „Pro Schwein“, spricht von „zugereisten und von außen organisierten Protestpersonen“. Das sieht auch Jens-Uwe Schade, Sprecher im Landesagrarministerium so: „Es gibt zunehmend Konflikte zwischen Einheimischen und Zuwanderern, die Landwirtschaft als Störfaktor empfinden. Wer aus der Stadt herauszieht, und denkt, dass wir Museumslandwirtschaft betreiben, liegt falsch.“

Sybilla Keitel, Künstlerin aus Westberlin, erfüllt auf den ersten Blick viele dieser Klischees, will aber gar keine falschen Vorstellungen aufkommen lassen. „Ich bin eine engagierte Naturschützerin und kein zugereister Rotweintrinker, habe zweimal einen Klimapreis gewonnen und wohne seit 22 Jahren in Jakobshagen“, sagt Keitel, die die Bürgerinitiative „Kontra Industrieschwein“ mit derzeit rund 30 Mitgliedern 2004 gegründet hat. „Es machen viele alteingesessene Haßlebener mit. Wir sind mehr Ossis als Wessis.“

Vor allem befürchtet Keitel, dass schützenswerte Biotope weiter Schaden nehmen könnten. Schließlich sei Haßleben schon durch die intensive DDR-Schweinemast schwer vorbelastet. Ein vom Landesumweltamt in Auftrag gegebenes Gutachten aus dem Jahr 2010 und eine Stellungnahme des Kreises Uckermark kommen zumindest zur Einschätzung, dass das nah gelegene Moor Kuhzer Grenzbruch durch den Gülleeintrag auf umliegende Äcker beeinträchtigt und der Moorfrosch und der Laufkäfer gefährdet würden. „Auf die Flächen darf einfach kein Stickstoff mehr eingebracht werden“, fordert Keitel.

Das will van Gennip um keinen Preis zulassen: „Hier geht es nicht mehr um Effektivität, sondern darum, zu beweisen, dass Tierproduktion am Standort möglich ist“, stellt Rehhahn klar. Schließlich seien 25 Millionen Euro in eine Solaranlage auf den Ställen investiert worden. Bis Ende des Sommers werde van Gennip die Genehmigung haben, meint sein Berater. Allerdings hat der Niederländer nicht nur die Zahl der Schweine reduziert, sondern zum Ärger der Befürworter auch die Zahl der Jobs. Statt 54 sollen jetzt nur noch 34 Stellen geschaffen werden.

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