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Berlin: Die Wiedergeburt der Linken

Wie sich bei den Berliner Sozialdemokraten die Mehrheiten heimlich, still und leise verändert haben

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD ist wieder eine linke Partei. Auf dem Landesparteitag am Sonnabend wird klar erkennbar sein, dass sich die innerparteilichen Mehrheiten in den letzten eineinhalb Jahren verändert haben. Inzwischen stellt die gut organisierte SPD-Linke, vormals eine starke Minderheit, etwa 55 Prozent der Parteitagsdelegierten. Und sie dominiert den Landesvorstand. Ihre bevorzugten Themen: Arbeitsmarktpolitik, soziale Stadtentwicklung und Bildung.

Sprecher der „Berliner Linken“, die sich Ende 2003 in der Berliner SPD neu formierte, ist der Kreisvorsitzende von Friedrichshain-Kreuzberg, Mark Rackles. Mit dem Leitantrag zur Schul- und Hochschulpolitik, der morgen beschlossen wird, ist er „zufrieden“. Staatlicher Werteunterricht und Gemeinschaftsschulen bis Klasse 10, der Verzicht auf Kita- und Studiengebühren, eine bevorzugte Sprach-, Bildungs- und Jugendförderung in den sozialen Brennpunkten der Stadt und eine bessere Personal- und Finanzausstattung der Schulen – das wird die Botschaft des SPD-Parteitages sein.

„Damit zeigen wir auch, dass Klaus Böger und nicht Finanzsenator Thilo Sarrazin für die Bildungspolitik zuständig ist“, sagt Rackles. Zwar gehört Böger zur SPD-Rechten im „Britzer Kreis“, aber seine unermüdlichen Forderungen nach mehr Geld für die Schulen werden vom linken Parteiflügel unterstützt. Andererseits findet es die neue SPD-Mehrheit nicht schlimm, den Vorschlag Bögers für Wertekunde als Wahlpflichtfach auf dem Parteitag abzubürsten.

Damit werde Böger nicht beschädigt, sagt Rackles. Das sei doch mehr „eine symbolische Diskussion“. Diese Haltung ist typisch für die „Berliner Linke“: Man ist streitlustig und prinzipientreu, aber doch irgendwie pragmatisch. Die Regierungsfähigkeit der SPD soll nicht gefährdet werden. Dem Partei- und Fraktionschef Michael Müller, einem „Kuschellinken“ aus Tempelhof, kommt dabei eine wichtige Scharnierfunktion zu. Er wird, flügelübergreifend, als zugänglicher Moderator respektiert, der den SPD-Landesverband zusammenhält. Auch wenn ab und zu leise Zweifel an Müllers Fähigkeit auftauchen, in schwierigen Fragen den Weg zu weisen und Führung zu zeigen.

Trotzdem ist er als SPD-Chef unumstritten und ein linker Abgeordneter lobt: „Wenn es um Kitas und Schulen, Jugend, Soziales und Privatisierungen geht, ist Müller aus vollem Herzen ein Linker.“ Seine Sonderrolle als Mittler zwischen den Welten wird akzeptiert und im Koordinierungskreis, der die Arbeit der „Berliner Linken“ steuert, sitzen andere Leute.

Etwa Monika Buttgereit, früher Vize-Landeschefin und jetzt Vorsitzende der strategisch wichtigen SPD-Antragskommission. Außerdem sechs Kreisvorsitzende, die 60 Prozent der Mitgliedschaft repräsentieren, und die Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer. Berliner und Bundestagsabgeordnete gehören dazu. Auch die Fachausschüsse und Arbeitsgruppen der Migranten, Senioren, Frauen und Arbeitnehmer sind durch ihre Chefs vertreten. Und die Jusos. Aber die waren schon immer links.

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