zum Hauptinhalt

Berlin: Die Wortschatzsucher

Wer eine Fremdsprache lernen will, ist in Berlin genau richtig: Tipps für Einsteiger und Wiedereinsteiger

Ihr erster Tandem-Partner wollte nur flirten. Der zweite lieber Fußball spielen. Jetzt, nach einem Jahr Suche, hat Sarah ihren Traumpartner gefunden: Jacobo ist sprachbegabt, fleißig – und verheiratet. Die Berlinerin und der Turiner Austauschstudent bilden ein Sprach-Tandem: Sie bringt ihm Deutsch bei, er ihr Italienisch. Einmal die Woche gehen sie in die Kneipe und unterhalten sich. Erst in der einen, dann in der anderen Sprache. Das Thema ist nicht vorgegeben. „Wir quatschen über Gott und die Welt“, sagt Sarah. „Und über Tischtennis, unsere gemeinsame Leidenschaft.“

Kennen gelernt haben sich die beiden über eine Tandem-Börse im Internet (siehe Infokasten). Auf einen Kurs an einer Sprachschule hatte Sarah keine Lust, und Geld wollte sie auch nicht ausgeben. Also hat sie sich für einen ungewöhnlichen Weg entschieden, eine neue Sprache zu lernen. Davon gibt es in Berlin noch viele andere: zum Beispiel privat organisierte „Sprachstammtische“, bei denen man sich in großer Runde auf Englisch, Französisch oder Russisch unterhält. Im Kreuzberger Café „Advena“ treffen sich Anfänger und Fortgeschrittene, um mit Hilfe des Brettspiels „New Amici“ verschiedene Sprachen auszuprobieren. Und dann gibt es noch „Speating“, die Kombination aus „Speaking“ und „Eating“: Da werden die Vokabeln beim Dinieren gepaukt.

Dass nur junge Menschen fremde Sprachen lernen könnten, hält Jörg Isenhardt für ein Gerücht. Er veranstaltet einmal pro Woche einen englischsprachigen Stammtisch, immer in einem anderen Friedrichshainer Lokal. Die Altersspanne der Teilnehmer reiche von Anfang 20 bis ins Rentenalter, die älteste Frau sei schon 75. Die Gruppe ist offen für Neue, egal ob Anfänger oder Fortgeschrittener. „Klar haben manche Hemmungen, gleich beim ersten Mal wild draufloszureden“, sagt Isenhardt. Das sei nicht weiter schlimm: „Die Hemmungen haben wir bisher noch jedem genommen.“

Wer sich für ausgefallene Sprachen interessiert, dem bleibt meist nichts anderes übrig, als sich an eine private Schule zu wenden. Der Schöneberger Verein „Lernbrücke“ lehrt derzeit 50 verschiedene Sprachen, darunter auch so exotische wie das afrikanische Wolof und das indische Urdu. Theoretisch sogar jede Sprache der Welt, sagt die Schulleiterin: „Wir beschaffen den passenden Lehrer für jeden noch so merkwürdigen Sprachwunsch.“ Dafür wendet sich der Verein an Botschafter und Kulturinstitute, schaltet Anzeigen in Zeitungen. „In Berlin findet sich immer jemand.“ Nicht ganz so ausgefallen ist die Sprache, die Torben Brand bei der Lernbrücke unterrichtet: Norwegisch. Viele seiner Schüler seien „deutsche Wirtschaftsflüchtlinge“, die in Norwegen Geld verdienen wollten. Oder echte Fans, die sich bei einem Urlaub in das Land verliebt hätten. Das Wunderbare an Sprachkursen sei nicht nur, dass sich „mit jeder erlernten Fremdsprache eine neue Kultur, ja praktisch ein ganzes Universum auftut“, sondern dass man anschließend auch seine eigene Sprache und Kultur besser einschätzen könne. Dazu gebe es in Norwegen eine schöne Geschichte, erzählt Brand: Sie handelt von einem Wikinger, der nach Amerika segelt und bei seiner Rückkehr gefragt wird, was er in der Fremde gesehen habe. „Jeg saa hjem“, antwortet der Wikinger. Das heißt auf Deutsch: „Ich habe nach Hause geguckt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false