zum Hauptinhalt

Berlin: Die Wüste lockt – aber nicht mehr nach Algerien

Das Geiseldrama in der Sahara hat Abenteuerreisende verunsichert. Veranstalter von Motorradfahrten und Kameltouren suchen nach Alternativen

Die Gräberpiste war bei Motorradfahrern beliebt. 460 Kilometer quer durch die algerische Sahara. Abgesehen von zwei Dünenstellen gilt die Strecke als ungefährlich. Eine „Anfängerpiste“, sagen die, die dort gewesen sind: „Da konnte man hinter fast jeder Düne einen anderen Biker treffen.“ Nach dem Geiseldrama dürfte es auf der Offroadstrecke wieder einsam werden. „Die Leute sind gewaltig verunsichert“, sagt Motorradfahrer Alper Sirin, der erst im Januar mit einer von ihm geführten Gruppe in Algerien war. Sirin – nach eigenen Angaben einziger Berliner Veranstalter von Motorradreisen nach Algerien – verzichtet deshalb bis auf weiteres auf Offroadabenteuer in der südlichen Sahara. Der 37-Jährige erarbeitet derzeit eine Alternativroute – in Tunesien.

Als Privatmann würde er gleichwohl „sofort wieder“ losfahren. „Die Gefahr, in Deutschland von einem Auto überfahren zu werden, ist größer, als in Algerien gekidnappt zu werden“, glaubt er. Auch Motorradhändler Andreas Walter würde sich nicht abschrecken lassen und – privat zumindest – wieder losfahren. Walter, der die Maschine der Berliner Geisel Christian Grüne kurz vor Reisebeginn überholte, war selbst erst im Winter mit einigen treuen Kunden in Algerien. Ein zweites Mal allerdings würde er diese Verantwortung nicht übernehmen: „Die Gefahr, dass die Geiselnahme Nachahmer findet, ist einfach zu groß.“ Im kommenden Winter wird er deshalb mit seinen Kunden voraussichtlich in die Wüste Gobi aufbrechen.

Keine Nachfrage, aber auch Angst um ihre Kunden – Anbieter von Abenteuerreisen nach Algerien haben ihre Angebote zurzeit fast völlig eingestellt. Die Stuttgarter Agentur Overcross stellt auf ihren Internetseiten zwar noch Touren vor, hat jedoch die Fahrten für dieses und auch das kommende Jahr eingestellt. „Die Sahara-Buchungen gehen auf Null“, sagt Inhaber Joe Küster. Nach ersten Warnmeldungen des Auswärtigen Amtes im Januar hatte Küster, der zu diesem Zeitpunkt in Algerien war, den Verlauf seiner Reise umgeplant. Die Sahara „ist mit Sicherheit nicht sicher“, sagt er. Die Reisen dorthin beendete er auch aus politischen Gründen: „Wir wollen die algerische Regierung nicht für ihr Nichtstun belohnen.“

Das Auswärtige Amt warnt derzeit vor Reisen in die südliche Sahara. Touristen sollten die Gräberpiste „auf jeden Fall bis auf weiteres“ meiden, heißt es auf der Homepage. Reiseanbieter schätzen die Sicherheitslage jedoch recht unterschiedlich ein. Thomas Bergmeier von „Bike world travel“ rät selbst von geführten Touren ab. Alle Sahara-Geiseln seien erfahrene Wüstenreisende gewesen. „Wenn es Entführern gelingt, verschiedene Gruppen unabhängig von einander und unter schwierigsten Logistikbedingungen zu entführen, dann kann man ein Gebiet getrost als unsicher bezeichnen.“

Zwar hat auch Rudolf Hoffmann, Inhaber des Hamburger Algerienspezialisten TRH Reisen, vorsichtshalber alle Kameltouren aus dem Programm genommen. Er persönlich hält geführte Touren weiterhin für „völlig unbedenklich“. Seine Agentur habe in der Sahara mit einheimischen Tuaregs als Führern zusammengearbeitet. „Diese Leute haben mit den Geiselnehmern nicht zu tun.“

Wie viele andere Anbieter weicht Hoffmann jetzt auf andere Wüstenländer aus – Libyen, Nigeria oder die Mongolei. Auch nach dem Geiseldrama wollten Abenteuerreisende nicht auf den Wüstentrip verzichten, sagt er: „Unsere Wüstentouren laufen richtig gut.“

Frauke Herweg

Zur Startseite