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Berlin: Die Wurzel des Übels: die Eltern

Erziehungskurse, Bußgeld: Die Familien müssen in die Pflicht genommen werden Von Mieke Senftleben

Die Lehrer der Rütli-Schule mussten einen verzweifelten Hilferuf ausstoßen, weil sie der Verrohung ihrer Schüler nicht mehr Herr wurden. Ein Jugendlicher benötigt während des täglichen Schulweges aus Angst vor einer Clique, deren Anführer 13 Jahre alt ist, Begleitschutz von der Polizei. Anfang des Monats schlägt eine Gruppe von Schülerinnen eine 15-Jährige krankenhausreif. Einen Tag später filmen Schüler, wie sie einen Mitschüler auf dem Schulhof brutal zusammenschlagen.

Intoleranz, Respektlosigkeit, Disziplinlosigkeit, Aggression, latente Gewalt bestimmen zu oft das Schulklima, ausgelöst durch einige wenige, allerdings mit verheerenden Folgen für alle! Das ist der Super-GAU für alle, die glauben, die Gewalt unter Kindern und Jugendlichen, die Gewalt an Schulen im Griff zu haben. Die öffentliche Diskussion ist jetzt da, sie ist kontrovers und sie ist überfällig. Die einen favorisieren die separate Beschulung, die anderen fordern mehr Integrationsbemühungen an Schulen, wieder andere fordern die Einheitsschule, mehr Sozialarbeiter, mehr Anti-Gewalttraining und so fort. Wieder einmal soll die Schule gesellschaftliche Probleme lösen. Aber damit überfordern wir die Schule kolossal, die in erster Linie Bildungseinrichtung ist und kein Erziehungsersatz!

Sicher ist, unter solchen Umständen können selbst die besten Schulen und die professionellsten Pädagogen dem eigentlichen Bildungsauftrag nicht gerecht werden: Wissen zu vermitteln und jeden Einzelnen optimal nach seinen Begabungen zu fördern. Das zeigen die vielen „Brandbriefe“ der Schulen, die in den letzten Wochen und Tagen die Öffentlichkeit erreicht haben.

Die Pädagogen beklagen an diesen Schulen, dass Eltern für sie häufig nicht erreichbar seien. Genau hier liegt die Wurzel des Übels: bei den Eltern. Haltungen der Kinder haben ihre Ursache weniger in der Schule, sondern in erster Linie im Elternhaus. Wir haben es heute leider auch mit Eltern zu tun, denen ihre Kinder offensichtlich egal sind. Und nur sehr wenig von dem, was diese Eltern zerstören, kann die Schule reparieren. Das müssen wir begreifen. Das Maß, in dem sich heutzutage Eltern aus der Erziehung ihrer Kinder verabschieden, hält unsere Gesellschaft auf Dauer nicht aus.

Es ist an der Zeit, andere Fragen zu stellen: Darf die Gesellschaft Eltern gewähren lassen, denen ihre eigenen Kinder völlig egal sind? Wie erreichen wir die Eltern, die ihre Erziehungspflichten eklatant vernachlässigen? Müssen wir nicht endlich die Eltern in die Pflicht nehmen , wenn sie ihre Erziehungspflicht vollständig ignorieren, wenn sie ihren Kindern beim Begehen von Straftaten teilnahmslos zusehen, wenn ihre Kinder gewalttätig sind und andere terrorisieren?

Eltern, deren Kinder durch Gewalttaten, aber auch durch Verwahrlosung oder chronisches Schulschwänzen auffallen, müssen die zuständigen Stellen schneller kontaktieren. Vielfach reagieren die Eltern aber nicht auf diese Hinweise. Allzu oft endet bereits dann das Bemühen der Gesellschaft um die betroffenen Kinder. Ausgerechnet bei jenen Eltern, die wir dringend erreichen müssen, resigniert die Gesellschaft. Müssten an dieser Stelle nicht gerade Hilfen, aber auch Sanktionen einsetzen?

Es ist durchaus denkbar, solchen Eltern die Teilnahme an mehrstündigen Erziehungskursen anzubieten und auch als ultima ratio zu verpflichten. Dort könnten sie über Erziehungsstrategien aufgeklärt werden und Unterstützung bei der Erziehung erhalten. Solche Erziehungskurse wären sowohl Hilfestellung als auch Sanktion. Selbstverständlich muss die Teilnahmepflicht auch gegenüber völlig uneinsichtigen Eltern durchgesetzt werden. Hier sind vielerlei Sanktionen denkbar, beispielsweise ein Bußgeld. Diese Diskussion müssen wir dringend führen – im Sinne einer von gegenseitigem Respekt und von Toleranz geprägten Gesellschaft.

Mieke Senftleben ist FDP-Politikerin im Abgeordnetenhaus

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