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Berlin: Die Zeit arbeitet gegen Europas größte Uniklinik

Charité spart nicht schnell genug: Zögerliche Übergangschefs ließen Verluste wachsen

Der Patient Charité muss kämpfen. Die Klinikleitung hat bisher noch keine wesentlichen Entscheidungen getroffen, um die in den Hochschulverträgen geforderten Einsparungen zu erbringen, erklärt der Senat in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Karl-Georg Wellmann. Dabei geht es inzwischen gar nicht so sehr um die Erfüllung irgendwelcher Sparauflagen, sondern um den wirtschaftlichen Fortbestand von Europas größter Uniklinik mit rund 14 000 Mitarbeitern.

Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass der Senat die Fusion der alten Charité – bestehend aus dem Standort Mitte und dem Virchow-Klinikum in Wedding – und des Steglitzer Benjamin-Franklin-Klinikums durchgezogen hat, ohne die Leitungsposten neu zu besetzen. Am Tag der Fusion, dem 31. Mai 2003, trat lediglich ein kommissarischer Vorstand an, der bis zum 31. Januar 2004 im Amt blieb. Selbst in der Senatswissenschaftsverwaltung hält man diesen achtmonatigen Übergang inzwischen für vertane Zeit. Sah sich doch die Übergangschefin Ingrid Nümann-Seidewinkel eher als Moderatorin für die schwierige Vereinigung zweier bis dahin konkurrierender Universitätsklinika denn als Entscheiderin. Erst am 16. Februar übernahm der endgültige Vorstandsvorsitzende Detlev Ganten offiziell sein Amt, die beiden übrigen Mitglieder des dreiköpfigen Vorstands sollen sogar erst am 12. März feststehen. Dann werde man „sofort in eine klare Diskussion über Art und Umfang der Restrukturierung des Großunternehmens Charité eintreten“, kündigte Ganten an. Zum Umbau gehören zum Beispiel Schwerpunktbildungen an den einzelnen Standorten und Kooperationen mit anderen Krankenhäusern.

Doch die Zeit drängt: Wie berichtet hat das Klinikum bis Ende 2003 voraussichtlich 53 Millionen Euro Verluste angehäuft – und es werden täglich mehr. Allein von Juni bis Dezember 2003 kamen über 14 Millionen Euro dazu, das heißt: Monat für Monat zwei Millionen Euro Miese. Daran werde sich auch 2004 nicht viel ändern, glaubt Oliver Schruoffeneger, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. Selbst härteste Einschnitte brächten keinen so schnellen Sparerfolg.

Außerdem muss das Klinikum mit weiteren Risiken rechnen. Spätestens ab 2007 bezahlen die Krankenkassen beispielsweise nicht mehr einfach pro Liegetag des Patienten, sondern pauschal für die jeweils behandelte Krankheit. Und das setzt gerade die teure Universitätsmedizin unter Druck. Die Charité rechnet dadurch mit jährlich 15 Prozent weniger Einnahmen. Und selbst im Aufsichtsrat der Charité sind manche Mitglieder der Meinung, dass das Klinikum viel zu viel Zeit versäumt hat, sich auf die Fallpauschalen vorzubereiten. Auch für die Pensionen seiner verbeamteten Mitarbeiter muss das Klinikum Vorsorge treffen. Insgesamt 95 Millionen Euro sind dafür nötig. Und schließlich soll die Charité ab 2010 jährlich 98 Millionen Euro weniger Landeszuschüsse erhalten.

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