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Berlin: Die Zeit der Geständnisse ist vorbei

Im Pokerraub-Prozess schwiegen erst die verurteilten Täter, dann gab es Ärger um eine anonyme E-Mail

Plötzlich war es der Vorsitzende Richter, der unter Beschuss stand. Er hatte aus einer anonymen E-Mail zitiert. „Irreführend“ habe er sich ein Wort herausgepickt, protestierten die Verteidiger. Der zweiten Tag im Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Drahtzieher des Überfalls auf das internationale Pokerturnier endete mit einem juristischen Angriff auf Richter Carsten Wolke: Die Verteidiger lehnten ihn als befangen ab.

Alles sieht nach einer großen Poker-Runde aus. Vor dem Antrag erlebte das Gericht eine Mauer des Schweigens. Sieben Wochen nach ihrer Verurteilung wollten sich die vier geständigen Pokerräuber als Zeugen nicht äußern. Mehr noch: Mustafa U., der im ersten Prozess noch ein dickes Lob und Strafrabatt für seine „mutige Aussage“ bekommen hatte, deutete über seinen Anwalt einen Rückzug von früheren Aussagen an, in denen er auch den jetzigen Angeklagten Ibrahim El-M. belastet hatte.

Nacheinander wurden am Dienstag Vedat S., Ahmad El-A., Jihad C. und Mustafa U. in den Saal 500 geführt. Sie waren am 6. März maskiert und mit Gebrüll in die Pokerrunde gestürmt. Hitzköpfe im Alter von 19 bis 21 Jahren mit Vorstrafen und ohne Beruf. Der 29-jährige Ibrahim El-M. soll sie angeheuert haben. Die Anklage geht davon aus, dass die Idee zu dem Raub von dem 31-jährigen Mohamed Abou-C. kam. Die beiden mutmaßlichen Drahtzieher haben zu Beginn des Prozesses vorige Woche die Aussage verweigert.

Gegen die „Nachwuchsräuber“ waren Haftstrafen bis zu drei Jahren und neun Monaten verhängt worden. Drei der jungen Männer aus Neukölln und Kreuzberg haben Revision eingelegt. Ihnen steht ein Schweigerecht zu. Das Urteil gegen El-A. dagegen ist rechtskräftig. Unwillig aber erklärte er vom Zeugenstuhl aus: „Ich habe mich nicht anwaltlich beraten.“ Von seinen beiden früheren Verteidigern wolle er keinen als Zeugenbeistand. Die Richter gaben ihm eine Frist von fünf Tagen, um einen Juristen zu benennen.

Kurz danach löste Mustafa U. Irritationen aus. Über einen Anwalt teilte der 20-Jährige mit, er habe „möglicherweise bezüglich der Abläufe und der Personen nicht immer die Wahrheit gesagt“. Nur er hatte im ersten Prozess Ibrahim El-M. namentlich erwähnt und ihn als mutmaßlichen Organisator beschrieben.

Eine E-Mail wurde dann für die Verteidiger zum Aufreger und für das Gericht zum Problem. Ein bislang unbekannter Verfasser hatte sich als Hans Müller und Fahrer des Fluchtwagens ausgegeben. Der Angeklagte Ibrahim El-M. habe „nichts mit dem Pokerraub zu tun“, behauptete er und kündigte an: „Ich werde mich in den nächsten Tagen stellen.“ Allerdings habe er „Angst, für viele Jahre hinter Gitter zu gehen“.

Nur das Wort „Angst“ habe der Richter zitiert, als es um Gründe für verschärfte Sicherheitsvorkehrungen ging, kritisierten die Verteidiger. Den kompletten Inhalt der Mail habe er bewusst nicht öffentlich gemacht und suggeriert, der Verfasser fürchte sich vor den Angeklagten oder deren Familien. Die Entscheidung über den Befangenheitsantrag wird in den nächsten Tagen erwartet.

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