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Berlin: Die zweite Chance

Schulabbrecher holen beim Projekt „Lernen lernen“ ihren Abschluss nach – Spenden sind nötig

Am schwarzen Brett im Klassenzimmer hängen Fotos, die im Computer mit Sprechblasen versehen wurden. „Bitte lasst mich nicht alleine, ich mache auch keine Scheisse mehr“, steht in einer Sprechblase. Nicht nur dass die Gruppen klein sind und die Lehrer auf jeden einzeln eingehen können, hält die Schulabbrecher hier bei der Stange, sondern auch, dass die Lehrer mehr sind als nur Pauker. Sie helfen, wenn zu Hause etwas schief läuft, trösten und richten wieder auf.

Ein bis eineinhalb Jahre lernen die Jugendlichen im Projekt „Lernen lernen“ im Pfefferwerk, in Gruppen zu siebt und in enger Absprache mit dem Jugendamt. Dadurch ist möglich, was staatliche Schulen in der Regel nicht leisten können: jeden Schüler nach seinen individuell Bedürfnissen zu fördern und jeden bei seiner Vorbildung abzuholen. „In unseren Gruppen sind alle Lernbiografien vertreten, von der sechsten Klasse Grundschule bis zur achten Klasse Gymnasium“, sagt die Sozialpädagogin Katja Beyer.

Die Einrichtung in Prenzlauer Berg reagiert seit eineinhalb Jahren auf eine verheerende Bilanz: Aus einer kürzlich vorgestellten Untersuchung der Berliner Schulverwaltung geht hervor, dass in Berlin 15000 Jugendliche regelmäßig die Schule schwänzen, unter den Hauptschülern ist es jeder Dritte. In ganz Deutschland schätzt man ihre Zahl auf 80000 bis 400000.

Die Lehrer von „Lernen lernen“ geben Schulabbrechern eine zweite Chance und lenken Lebenswege in eine neue Richtung. Das Projekt ist bisher nicht sehr groß und arbeitet sehr erfolgreich. Schon 15 Mal ist es gelungen, Jugendlichen, die die Schule abgebrochen und jahrelang auf der Straße gelebt haben, wieder Spaß am Lernen zu vermitteln. Gerade hat die zweite Gruppe die Hauptschulabschlüsse geschafft. Im kommenden Jahr würde sich das Team gerne verstärkt um Mädchen kümmern, die schon mit 13 oder 14 Jahren Mütter geworden sind und nicht mehr zur Schule gehen. Um die Lernschule auszubauen, fehlt aber noch das Geld.

„Es fällt mir nicht immer leicht, mich zu konzentrieren“, sagt ein 16-Jähriger, der seit August bei „Lernen lernen“ ist. Er fühlt sich wohl, weil er hier auch mal Pausen machen darf und seine Schwächen zeigen kann, ohne ausgelacht zu werden. Da die Gruppen so klein sind, kommt keiner um die Teamarbeit herum. „Bei uns sitzen Punks neben Skinheads“, sagt Beyer, „sie müssen sich nicht lieben, aber lernen, den andern zu tolerieren.“

Spätestens nach 18 Monaten stehen die schriftlichen und mündlichen Prüfungen für den einfachen oder erweiterten Hauptschulabschluss beim Landesschulamt an. Die zehn mündlichen Prüfungen müssen die Schüler an einem Tag absolvieren. „Das ist ein wahnsinniger Stress“, sagt Ronny Höppner, der ihn gerade erfolgreich hinter sich gebracht hat. Damit die Prüflinge nicht nach der Hälfte aufgeben, geht ein Betreuer mit.

Während der 12 oder 18 Monate büffeln die Schüler viermal die Woche von 10 bis 15 Uhr die klassischen Fächer von Mathe bis Chemie und Geschichte, aber jeder in seinem eigenen Tempo und ohne Zwang. Wenn einer nur zweimal die Woche mitmacht, wird er nicht rausgeschmissen. „Wenn die Leute nicht freiwillig kommen, hat es sowieso keinen Zweck“, sagt Beyer.

Bisher hat sich aber gezeigt, dass, wer sich einmal für das Projekt entschieden hat, mit Begeisterung dabeibleibt. Für jeden Schüler gibt es einen Computerarbeitsplatz, an dem er im Internet recherchiert und lernt, mit Text- und Fotoverarbeitungsprogrammen umzugehen.

Nächstes Jahr wird „Lernen lernen“ wieder vom Pfefferberg in die angestammten Räume in der Senefelderstraße umziehen, die zurzeit renoviert werden. Noch fehlen Möbel für die neuen Räume und Geld für Internetanschlüsse, Telefone und Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder der lernenden jungen Mütter. Auch das würde die Organisation gerne von dem Geld der Tagesspiegel-Spenden kaufen.

Wenn Sie die Tagesspiegel-Spendenaktion unterstützen möchten: Stichwort „Menschen helfen!“, Kontonummer 25 00 30 942 bei der Berliner Sparkasse mit der Bankleitzahl 100 500 00. Bitte geben Sie auf dem Beleg Ihren Namen und die Anschrift komplett an, damit wir den Spendenbeleg zuschicken können. Auch Online-Banking ist möglich.

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