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Berlin: Dieb narrte über 60 Rentner mit dem Kameratrick

Beim Prozessauftakt legte der 49-jährige Angeklagte ein Teilgeständnis abPeter Murakami Eine geschlagene Stunde brauchte die Staatsanwältin, um die Anklage zu verlesen. Für insgesamt 63 Fälle muss sich Klaus Jürgen D.

Beim Prozessauftakt legte der 49-jährige Angeklagte ein Teilgeständnis abPeter Murakami

Eine geschlagene Stunde brauchte die Staatsanwältin, um die Anklage zu verlesen. Für insgesamt 63 Fälle muss sich Klaus Jürgen D. seit Mittwoch vor dem Berliner Landgericht verantworten. Der 49-jährige Frührentner soll zwischen April 1995 und September 1999 insgesamt rund 365 000 Mark von alten Leuten ergaunert haben.

Laut Anklage ging der Mann stets nach gleichem Muster vor: Zunächst verschaffte er sich Zutritt zu den Wohnungen seiner Opfer, indem er sich als Handwerker oder Mitarbeiter einer Hausverwaltung ausgab. Dann präsentierte der Besuch einen alten Fotoapparat und gaukelte den überwiegend gebrechlichen alten Menschen vor, er müsse die Räumlichkeiten vermessen. Bei den empfindlichen Vermessungsarbeiten störe jedoch die Strahlung der Silberstreifen in den Geldscheinen. Nachdem die Opfer ihre Geldscheine zusammengesucht und im Interesse einer störungsfreien Raumvermessung in einem Nebenzimmer deponiert hatten, stahl Klaus Jürgen D. die Scheine.

Gelegentlich variierte er die Masche geringfügig, indem er - wie zum Beispiel im Fall der 83-jährigen Elli L., erklärte, dass die Geldscheine bei der Messung schädliche Strahlungen aussenden, oder dass die Geldscheine vernichtet werden könnten.

Auf den Trick mit den Silberstreifen hatte den Frührentner nach eigenen Bekenntnissen die Fahndungssendung "Aktenzeichen XY ungelöst" gebracht. Bevor Klaus Jürgen D. gefasst werden konnte, war er nicht träge. Der Aktenberg auf dem Tisch von Richter Brüning war beim Prozessauftakt so hoch, dass der Vorsitzende der Kammer hinter den Stapeln zeitweilig nicht mehr zu sehen war.

Den Rentner Walter O. soll der Angeklagte gleich zwei Mal heimgesucht haben. Das erste Mal erbeutete er mit seinem "Kameratricks" 64 000 Mark. Zwei Monate später gab er sich laut Anklage als Staatsanwalt aus, der in der Diebstahlserie ermittle. Nachdem er den eingeschüchterten 85-Jährigen aufgefordert hatte, ihm zu zeigen, wo er nunmehr sein Geld verstecke, soll er den 85-Jährigen noch einmal um 3600 Mark erleichtert haben.

Klaus Jürgen D. sprach am ersten Prozesstag kaum ein Wort. Sein Teilgeständnis ließ er von seiner Rechtsanwältin verlesenen. "Ich möchte den Geschädigten das persönliche Erscheinen vor Gericht ersparen und gebe den größten Teil der mir zur Last gelegten Taten zu", hieß es in der Erklärung. Der an Aids erkrankte Frührentner äußerte "tiefe Reue" über sein "gemeines Verhalten" und schilderte dann, wie es zu den Verbrechen kam. Er habe geglaubt, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht mehr lange zu leben habe und wollte sich die ihm verbliebene Zeit so angenehm wie möglich gestalten.

Er schilderte in der Erklärung außerdem, wie er die teils 90 Jahre alten Opfer auf der Straße ausgesucht hatte und ihnen bis zu ihren Wohnung gefolgt sei. Der Frührentner räumte ein, dass er sich an Einzelheiten seiner Verbrechen nicht mehr erinnern könne. 14 der insgesamt 63 ihm angelasteten Taten bestritt er allerdings. So habe er sich niemals als Amtsperson ausgegeben oder zweimal das gleiche Opfer heimgesucht. "Ich bin froh, dass jetzt alles zu Ende ist", ließ der Angeklagte erklären und versicherte gleichzeitig, dass er, falls er entlassen werde, zu seiner Mutter ziehen wolle. Das Urteil gegen Klaus Jürgen D. wird am 10. Mai erwartet.

Peter Murakami

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