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Berlin: DieFreiheitdes Ehrenvorsitzenden

Eberhard Diepgen wird in seinen Reden auch boshaft. Aber nur ein wenig

Um Beachtung muss Eberhard Diepgen nicht buhlen. Jetzt ist der ehemalige Regierende Bürgermeister und CDU-Landeschef nur noch Ehrenvorsitzender seiner Partei – doch dieses Amt füllt er offenbar gerne mit Bedeutung. Er kommt, wenn die Partei ihn einlädt. Er bringt Zeit mit. Und er nutzt die Freiheit des Ehrenvorsitzenden, um ein wenig boshaft zu sein. Aber nur ein wenig: Je heftiger der Streit in der Union um Personen und Programme, desto weniger boshaft gibt sich Diepgen.

So erlebten seine Parteifreunde aus Steglitz und Zehlendorf am Dienstagabend einen redefreudigen, aber zurückhaltenden Diepgen. 50 Minuten sprach er frei vor rund 50 Parteifreunden, ein geschätztes Drittel davon war jünger als 50. Ehrenvorsitzende haben das Recht und die Pflicht zum politischen Universalismus – vom Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin bis zur Bundesvorsitzenden Angela Merkel bekamen alle etwas ab.

Die Führung des Berliner Landesverbandes gleich am Anfang: Joachim Zeller und Nicolas Zimmer hatten gehofft, Diepgen mit der Wahl zum Ehrenvorsitzenden in den rhetorischen Vorruhestand zu schicken. Der Ehrenvorsitzende aber, der sich auch in Vorstandssitzungen gerne einbringt, sagte über Zeller und Zimmer, ohne sie namentlich zu nennen, sie hätten das Recht auf einen eigenen Weg. Doch fällt es ihm „etwas schwer“, sich darüber nicht zu äußern. Die Berliner CDU ist nach Einschätzung ihres Vormannes ehrenhalber zu oft wegen Personalquerelen im Gespräch.

Dass er keine neuen spitzen Bemerkungen machte, kann man als Zeichen echter Sorge um die Berliner CDU interpretieren. Er erwarte, dass die Partei im November beim nächsten Landesparteitag „richtig Schwung“ nehme, sagte er. Die Richtung allerdings, die Diepgen vor Augen hat, dürfte in Berliner CDU nicht ganz unumstritten sein. Der ehemalige Regierende redete, als wären die ewigen Wahrheiten christdemokratischer Politik in den 90er Jahren festgelegt worden.

Er warnte davor, mit den Reformen des Sozialstaats „die Ökonomisierung allen Denkens“ voranzutreiben. Er fand die „Taktik“ der Bundes-CDU „ziemlich blöde“, die Bundesregierung bei schwierigen Reformen – Hartz IV zum Beispiel – zu unterstützen, ohne an den Erfolgen teilhaben zu können. Er hielt in Sachen Gesundheit die Reformvorstellung der CDU für „nicht von vorgestern“ und hielt Merkel die „Kopfpauschale“ vor. Und überhaupt: Weder die Bundesregierung noch der Senat dürften sich darüber beschweren, dass die Sozialhilfekosten immer weiter stiegen – wenn den Leuten bei aller Sparerei auf allen Ebenen kein Geld mehr bleibe, merke man das auch bei Karstadt.

Das war zumindest einigen Jüngeren im Publikum dann doch etwas viel Lafontaine aus dem Mund eines Parteifreundes. Und aus einer Mit-Verantwortung für die Berliner Schulden wollte ein junger Mann Diepgen auch nicht ganz entlassen. Der Ex-Regierende gab immerhin zu, dass dem Senat nicht viel bleibt als in Karlsruhe auf Alimentierung zu klagen. Ehrenvorsitzende dürfen so urteilen.

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