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Berlin: Diepgen gibt Bund Schuld an der Haushaltsnotlage Seine damalige große Koalition habe nur etwa

fünf Prozent der Schulden zu verantworten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Hätten der Bund und die Länder das ungeliebte Berlin Anfang der neunziger Jahre nicht im Stich gelassen, wäre die Hauptstadt heute nicht mit fast 60 Milliarden, sondern mit höchstens 30 Milliarden Euro verschuldet. Die Berlinhilfe und die Steuersubventionen (Berlinförderung) seien nach dem Mauerfall viel zu schnell abgebaut worden. Eine Übergangszeit von 8 bis 10 Jahren hätte die Haushaltsnotlage Berlins verhindert. Das ist die These des CDU-Politikers Eberhard Diepgen, bis 2001 Regierender Bürgermeister und jetzt Kandidat für den Bundestag.

Zusammen mit dem Parteifreund Peter Rzepka, der schon im Bundestag sitzt, hat Diepgen einen Aufsatz geschrieben, der hart ins Gericht geht mit der früheren CDU/FDP-Regierung unter Helmut Kohl. Aber auch mit Ländern wie Nordrhein-Westfalen. „Der Rheinbund gegen Berlin“, sagte Diepgen gestern, sei mitverantwortlich für die hauptstädtischen Finanzprobleme. Leider sei in Deutschland die Auffassung weit verbreitet, dass der Berliner Schuldenberg auf landespolitische Fehlentscheidungen zurückzuführen sei.

Die These Diepgens ist nicht neu. Sie wurde seit Anfang der neunziger Jahre von Berliner Politikern aller Couleur immer wieder vertreten, wenn es darum ging, finanzielle Hilfen für die Hauptstadt einzufordern. Diepgen greift jetzt darauf zurück, weil er befürchtet, dass der rot-rote Senat die Klage beim Bundesverfassungsgericht auf Sanierungshilfen „an die Wand fährt“. In seiner Klageschrift konzentriere sich der Senat zu sehr auf die Ausgabenprobleme. Stattdessen müsse signalisiert werden: Der Gesamtstaat habe sich zu früh aus der Förderung zurückgezogen und den Senat „damit zu Kreditaufnahmen gezwungen, deren Zins- und Tilgungslasten trotz massiver Konsolidierungsanstrengungen immer neue Kreditaufnahmen notwendig machten“.

Die große Koalition aus CDU und SPD, zehn Jahre geführt von Diepgen, hat dazu gar nichts beigetragen? Na, ein bisschen schon, gibt der CDU-Mann zu. „Meinetwegen fünf Prozent.“ Natürlich habe es in den neunziger Jahren Senatsentscheidungen gegeben, die anfechtbar seien. „Aber jede Entscheidung hat ihre Zeit.“ Zur Anhebung der Ostgehälter im öffentlichen Dienst auf Westniveau steht er heute noch. Und zu den teuren Sportbauten für Olympische Spiele, die es nicht gab. Auch die üppige Wohnungsbauförderung verteidigt Diepgen. „Mit der Wiedervereinigung gab es in Berlin eine empfindliche Wohnungsnot.“

Alles dies sei aber nachrangig – angesichts der Politik des Bundes gegen Berlin nach der Vereinigung. Angetrieben von euphorischen Wachstumsprognosen für die Hauptstadt. Auf die Rückzahlung von 30 Milliarden Euro habe Berlin deshalb nicht nur einen rechtlichen, sondern auch einen politischen Anspruch. Im neuen Bundestag müsse sich dafür „eine parteiübergreifende Lobby“ stark machen. Diepgen hofft auf eine „mittelfristige Lösung“ des Problems.

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