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Hitler

© Fotot. dpa

Diktator zum Anfassen: Eine Puppe wird zum Streitfall

Die Debatte um den NS-Führer in der Tussauds-Niederlassung Unter den Linden schlägt hohe Wellen. Aber die Diskussion zeigt auch, dass die Zeit der Tabus lange vorbei ist.

Er wurde untersucht und durchleuchtet wie kaum ein anderer Mensch. Über viele Jahre nach seinem Tod 1945 war er mit einem Abbild-Tabu belegt: Allenfalls in Kunstwerken, aber nicht in lebensechten Bildern durfte Adolf Hitler zu sehen sein, schon gar nicht in Kinofilmen. Das erschien den Deutschen unerträglich, vor allem, weil ein tabuloser Umgang mit Hitler im Ausland neue Vorurteile über die Deutschen geweckt hätte.

Nun aber soll Hitler als Wachsfigur wiederkommen: ins Panoptikum „Madame Tussauds“, das im Juli Unter den Linden eröffnet werden soll. Dort werden ihn wohl weniger Neonazis als zahllose Touristen besichtigen – wie auch eine Wachsfigur des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit. Die Senatskanzlei erfuhr von dem Hitler-Plan angeblich erst aus den Medien.

Nun hat der Regierende an die Berliner Niederlassung von „Tussauds“ geschrieben – nicht um zu drohen, sondern um „Sensibilität“ einzufordern: Wowereit hält es für „zwingend“ nötig, dass ein Zusammenhang zwischen der Hitler-Puppe und den „historischen Verbrechen“ des Nationalsozialismus hergestellt wird. Davon werde es abhängen, wie der Teil der Ausstellung zu bewerten sei, heißt es in dem Schreiben.

Bedenken hat nicht allein der Regierende. In den Kommentaren der Berliner Politiker war das Wort „geschmacklos“ die am meisten verwendete Formulierung. Keiner der Kulturpolitiker aus dem Abgeordnetenhaus forderte, die Hitler-Figur wieder aus dem Tussaud’schen Panoptikum zu streichen oder das Unternehmen gar zu boykottieren. Doch nur der Linkspartei-Kulturpolitiker Wolfgang Brauer sagte, so viel Souveränität im Umgang mit der eigenen Geschichte müsse man aufbringen, dass man einen Hitler aus Wachs in einer Schau, in der viele andere Massenmörder zu sehen seien, aushalte. Der Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, Julius H. Schoeps, regte an, die Angelegenheit „tiefer zu hängen“.

Tatsächlich gibt es das Hitler-Abbild- Tabu schon lange nicht mehr. Zwar ruft jede revitalisierende Darstellung Hitlers wieder neue Kontroversen hervor. Doch dabei geht es meist um die historische Richtigkeit, um die Perspektive auf die historische Figur Hitler, um die Gefühle, die geweckt und transportiert werden. Der Film „Der Untergang“ hat viel verändert. Spätestens seit Bruno Ganz den kuchensüchtigen Diktator mit Schüttellähmung gab, trauen sich die Deutschen, öffentlich über Hitler zu spotten. Das Pathos des Films störte dabei weniger.

Heinrich Breloers Film über Hitler und Speer, der 2004 entstand und 2005 im Fernsehen zu sehen war, wurde wegen angeblich verharmlosender Tendenzen kritisiert. Ob die Erbauer des Wachsfigurenkabinetts diesem Vorwurf entgehen können, wird sich zeigen. Der Landesgeschäftsführer der Linkspartei, Carsten Schatz, kritisiert die „Ausstellung von Adolf Hitler“ mit Worten des kommunistischen Dichters Erich Weinert. Der hatte 1942 in einem Gedicht über den „Führer“ gefragt, warum die Deutschen „ausgerechnet den“ ertragen würden. Die Frage stellt sich auch beim Anblick der Puppe mit dem Schnäuzer.

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