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Berlin: Dinner-Diplomatie

Wie Putin und Rau die Kulturbegegnungen vorantrieben

Schon zwei Stunden vor Beginn des Auftakts der deutsch-russischen Kulturbegegnungen 2003 - 2004 drängte es die Gäste zum hochgesicherten weißen Festzelt neben dem Konzerthaus. Unter den deutschen Kulturrepräsentanten war die Einladung des Bundespräsidenten so begehrt, wie für einen alten Bond-Fan eine Party mit Roger Moore. Unter den rund 1000 Glücklichen, die eine Einladung erhalten hatten, waren unter anderem FU-Präsident Peter Gaehtgens, der Dirigent Kurt Sanderling, der Ruhrgas-Vorstandsvorsitzende Burckhard Bergmann und sein Kollege von der OAO Gazprom, Alexei Miller, die beide zu den Sponsoren zählten, außerdem Peter Gauweiler, Walter Momper, der Moskauer Patriarch Feofan Galinskij, der Maler Gerhard Richter, der Schriftsteller Wladimir Kaminer und der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold. Letztere waren auch dabei, als die Idee Leben bekam.

Fackeln säumten die Auffahrt zum Schloss Bellevue, als Bundespräsident Johannes Rau im Herbst 2001 ein festliches Abendessen für den russischen Präsidenten Putin gab. „Deutschland und Russland stehen am Beginn dieses Jahrhunderts vor einem neuen Kapitel ihrer gemeinsamen Geschichte“, sagte er damals in seiner Ansprache. Bei Essenz von Pfifferlingen und Kalbsrücken hielten sich die beiden Präsidenten nicht mit Small Talk auf, sondern sprachen über die Verwirklichung der Kulturbegegnungen. Im vergangenen Jahr gab es Gelegenheit, die Idee zu vertiefen, als Johannes Rau und Frau Christina bei ihrer Russlandreise in Putins Privathaus eingeladen waren. Auch Ludmila Putina spricht fließend deutsch und teilt mit Christina Rau das Interesse für Jugendaustauschprojekte und Bildungsthemen.

Ein Drittel der Menschen, die auf der Welt deutsch lernen, sind Russen. Daran erinnerte der selbst exzellent deutsch sprechende Putin gestern in seiner aus protokollarischen Gründen auf Russisch gehaltenen Ansprache, in der auch die zwanzig Deutschland-Besuche Tschaikowskys Erwähnung fanden. Johannes Rau nannte als Zeugen für die engen deutsch-russischen Kulturbeziehungen unter anderem den Sibirienreisenden Alexander von Humboldt und wies darauf hin, dass heute allein in Berlin 130 000 Menschen leben, deren Muttersprache russisch ist. Beide Präsidenten beschrieben, wie sehr sie sich auf diese Kultur-Begegnungen gefreut haben.

Nach dem mit stürmischem Applaus bedachten Konzert stießen bei russischem Salat und Minibuletten unter anderen die Minister Schily, Stolpe und Clement sowie Altbundespräsident Walter Scheel auf die Initiative an. Viel Zeit für weitere kreative Diskussionen blieb in dem angeregten Gedränge nicht. Nach einem Gespräch mit dem Bundeskanzler waren Putin und seine Frau Ludmila allerdings noch beim Bundespräsidenten und Christina Rau zum Abendessen eingeladen. Diesmal ohne Fackeln und großes Zeremoniell, ganz en famille, aber gewiss nicht weniger ideenreich.

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