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Unterschriften für Volksbegehren werden gerne auf dem Tempelhofer Feld gesammelt. Dort war man 2014 erfolgreich.

© Thilo Rückeis

Direkte Demokratie in Berlin: 40 Mal begehrte das Volk auf

Vier Volksbegehren laufen derzeit parallel, seit 1998 sind es insgesamt 40. Die Chancen stehen gut, denn es ist Wahlkampf. Eine Übersicht.

So viel Volksbegehren war selten: Vier Initiativen sind derzeit dabei, ihr politisches Anliegen mit den Mitteln der direkten Demokratie durchzusetzen. Es geht um eine fahrradfreundlichere Stadt, um den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel, um die Sicherung der Sporthallen und um die Verbesserung der Volksgesetzgebung. Vor zehn Jahren wurden die Abläufe für Volksbegehren und Volksentscheide in Berlin zuletzt reformiert und vereinfacht, damals auf Initiative der Parteien. Diesmal will ein breites Bündnis von Initiativen eine weitere Reform per Volksentscheid erzwingen.

Vor der Reform 2006 hatten Bürger kaum Chancen, ein Anliegen per Volksentscheid durchzusetzen, sagt Oliver Wiedmann von Mehr Demokratie e.V. Bei einer Abstimmung hätten mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen müssen – das war kaum zu schaffen. Meistens wurden Volksinitiativen angestrengt, bei denen maximal erreicht werden kann, dass sich das Parlament mit einem Thema befasst. Die erste Volksinitiative betraf 1998 den Transrapid von Berlin nach Hamburg.

Zwei Verfassungs-Artikel sollen geändert werden

Inzwischen ist der „40. Volksbegehrensantrag“ unterwegs, nach Zählung des Vereins Mehr Demokratie, und gleichzeitig die erste Initiative mit verfassungsänderndem Impetus. „Volksentscheid retten“ will die Artikel 62 und 63 der Landesverfassung, die das Verfahren für Volksbegehren regeln, ändern. Es geht darum, erfolgreiche Volksentscheide gegen Eingriffe der Politik abzusichern. Konkret soll verhindert werden, dass das Abgeordnetenhaus ein durch Volksentscheid beschlossenes Gesetz kurz danach ändert oder abschafft, wie beim Gesetz zum Tempelhofer Feld geschehen.

Die Hürden für verfassungsändernde Volksbegehren sind hoch: 50000 statt 20000 Unterschriften müssen in der ersten Phase gesammelt werden, danach sind 500.000 statt rund 174.000 Unterschriften nötig. Die Initiative „Volksentscheid retten“ hat sich trotzdem vorgenommen, schon nach einem Monat, bis Ende Mai, die nötigen Unterschriften für Phase eins zusammenzubekommen. Der Zeitplan ist straff, weil das Abstimmungsdatum September 2017 angepeilt wird, parallel zur Bundestagswahl. Für den Erfolg von Volksentscheiden sei die Zusammenlegung mit einem Wahltermin entscheidend, sagt Wiedmann. Über den Abstimmungstermin befindet der Senat. Auch das will die Initiative Volksentscheid retten ändern.

Die Initiativen sprechen sich gegenseitig ab

Die aktuelle Häufung von Volksbegehren führt Wiedmann auf die günstigen Rahmenbedingungen zurück. Der aktuelle Wahlkampf erhöht die politische Aufmerksamkeit des Wahlvolks und der Medien, da muss gar nicht in jedem Fall ein Volksentscheid ernsthaft angestrebt werden. Andererseits könnten sich die Initiativen gegenseitig behindern, bei der Medienarbeit oder der Sammlung von Unterschriften. Margarete Heitmüller von „Volksentscheid retten“ glaubt das eher nicht. Mit den Leuten von der Fahrrad-Initiative spreche man Aktionen und Sammlungsorte ab. „Wir unterstützen uns gegenseitig“, sagt Heitmüller. Generell sei das Verständnis für Volksentscheide in der Bevölkerung gewachsen. In der Politik ist die Haltung nach Einschätzung von Wiedmann dagegen zwiespältig. Grüne und Linke gehörten eher zu den Befürwortern, in der SPD überwiege die Skepsis. Das sei auch nicht verwunderlich, schließlich stelle die SPD in Berlin seit 27 Jahren den Regierenden Bürgermeister.

Nur zwei Volksentscheide waren erfolgreich

Die Bilanz in Zahlen: 40 Volksbegehren und -initiativen in Berlin gab es seit 1998, 37 wurden abgeschlossen, 11 scheiterten in der ersten Phase, 4 in der zweiten, 4 wurden für unzulässig erklärt, 4 wurden vom Abgeordnetenhaus übernommen, 1 endete mit einem Kompromiss, 1 wurde abgebrochen. 5 Volksbegehren gelangten bis zum Volksentscheid, 2 setzten sich durch (Tempelhofer Feld, Offenlegung der Privatisierungsverträge der Wasserbetriebe), 1 wurde abgelehnt, 2 hatten nicht genügend Teilnehmer. 7 Volksinitiativen wurden abgeschlossen, davon 5 im Parlament abgelehnt, 2 bekamen nicht genug Unterschriften zusammen.

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