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Pro Reli

© Günter Peters

Direkte Demokratie: Kampf um jede Stimme

Gestern startete das Volksbegehren "Pro Reli". Es hat zum Ziel, Schülern die Wahl zwischen Religion und Ethik zu erlauben. Dabei ist es nur der Auftakt einer ganzen Reihe von Initiativen mit Bürgerbeteiligung.

Jetzt haben die Bürger das Wort. Gleich zwei Mal sind die Berliner in dieser Woche aufgefordert, zu umstrittenen Themen Stellung zu beziehen. Am Montag begann das Volksbegehren „Pro Reli“ mit dem Ziel, Schülern die Wahl zwischen den Fächern Religion und Ethik zu erlauben. Am Wochenende sind die Bürger des Bezirks Mitte dazu aufgerufen, in einem Bürgerentscheid – so heißt die auf Bezirke beschränkte Variante des Volksentscheids – über die Parkraumbewirtschaftung abzustimmen. Mehrere andere Vorstöße sind in Vorbereitung (siehe unten).

„Pro Reli“ begann vor der Gedächtniskirche mit einer öffentlichen Unterrichtsstunde. In einem Zelt warf ein Beamer ein Bild von Keith Haring an die Leinwand. Davor saßen rund 20 Schüler und diskutierten mit ihrem Lehrer über das Bild. Der Vorführ-Religionsunterricht zum Thema „Auf dem Weg zu einer menschlicheren Moral“ gehörte zum Auftakt der Unterschriftenaktion. Bis zum 21. Januar muss die Initiative 170 000 gültige Unterschriften sammeln. Ist sie erfolgreich, entscheidet das Abgeordnetenhaus über den Gesetzentwurf. Wird dieser abgelehnt, findet ein Volksentscheid statt. Im Winter hatte „Pro Reli“ bereits 34 472 Unterschriften gesammelt, um das Volksbegehren einzuleiten.

„Uns geht es nicht darum, viele Kinder in den Religionsunterricht zu bekommen, sondern darum, Wahlfreiheit herzustellen“, sagt Christoph Lehmann, der Vorsitzende von „Pro Reli“. Seit dem Schuljahr 2006/2007 ist Ethik in Berlin ab Klasse 7 Pflichtfach, Religion wird als Wahlfach angeboten, die Teilnahme ist also freiwillig. Die Initiative will, dass katholischer, evangelischer, islamischer und jüdischer Religionsunterricht gleichberechtigt mit atheistischem Weltanschauungsunterricht als Wahlpflichtfach ab der ersten Klasse angeboten wird.

In der rot-roten Koalition ist man zuversichtlich, dass das Volksbegehren keinen Erfolg haben wird. „Wir sind kämpferisch und optimistisch“, sagt SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller. Die Kirchen sollen „an den Schulen ihren Platz haben, aber nicht verpflichtend“, sagt Müller, der selbst Mitglied der evangelischen Kirche ist. Religion nur als zusätzliches Fach anzubieten, sei „auch wichtig für die Integrationspolitik“, weil es allen Schülern „einen Raum gibt, sich auf gemeinsame Werte zu verständigen“.

Die Organisatoren von „Pro Reli“ hatten Senat und Verwaltung vorgeworfen, ihnen Hürden in den Weg zu legen. Das wies Müller als „Unverschämtheit“ zurück. „Die Initiatoren können sich überall mit einem Klemmbrett hinstellen und Unterschriften sammeln.“ Die Koalition will über „Pro Reli“ am Donnerstag im Abgeordnetenhaus diskutieren.

Während im Zelt der Unterricht weiterging, unterschrieben vor der Gedächtniskirche die ersten Passanten. „Uns wird hier was aufgedrückt“, sagte ein Mann aus Spandau. Dass Kinder Überstunden machen müssten, wenn sie Religionsunterricht haben wollten, sei eine „Frechheit“. Eine Frau aus Tiergarten sagte: „Ich finde Religionsunterricht für die Kinder wichtig.“ Kindern sollten Werte vermittelt werden. Ein Vater sagte: „Mein Sohn ist in der sechsten Klasse, ich finde es wichtig, dass er sich entscheiden kann.“

Florian Ernst, Lars v. Törne

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