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Finanzsenator Ulrich Nußbaum plädiert für ein verändertes Vergabeverfahren bei landeseigenen Grundstücken.

© Mike Wolff

Direktvergabe landeseigener Grundstücke: Nußbaum macht eigene Baupolitik

Der Finanzsenator plädiert für ein verändertes Vergabeverfahren bei landeseigenen Grundstücken. Nußbaum dementierte aber, er habe die Direktvergabe dieser Grundstücke gestoppt.

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Finanzsenator Ulrich Nußbau (parteilos, für SPD) hat am Dienstag seine Vorschläge für eine neue Liegenschaftspolitik näher erläutert. Er plädierte für ein transparentes, vom Parlament kontrollierbares Verfahren für die direkte Vergabe städtischer Liegenschaften an Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Baugruppen. Er teile das Ziel der rot-schwarzen Koalition, neue Wohnungen mit bezahlbaren Mieten zu bauen. Aber er halte es für besser, Grundstücke nicht verbilligt zu verkaufen, sondern zum Verkehrswert. Anschließend könne dem Käufer ein Teil des Kaufpreises erstattet werden.

Eine solche Grundstücksförderung, so Nußbaum, sollte aus einem Haushaltstopf der Stadtentwicklungsbehörde finanziert werden. Woher das Geld kommen soll, sagte er nicht. Außerdem müssten für eine solche Förderung klare Richtlinien erarbeitet und eine langfristige Nutzungsbindung festgelegt werden, um Spekulationen mit den subventionierten Immobilien zu vermeiden. Das geltende Recht lasse nur 15 Jahre zu. Eine längere Bindung des sozialen Nutzens sei über Erbpachtverträge zu erreichen. „Dieses Instrument sollten wir in Zukunft stärker einsetzen“.

Seit Jahren wird in Berlin über eine Reform der Liegenschaftspolitik diskutiert, die sich nicht mehr nur am Prinzip des höchsten Verkaufspreises orientieren, sondern auch stadtplanerische und soziale Ziele verfolgen soll. Am 25. April wird der Hauptausschuss des Parlaments über eine „Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik“ mit Nußbaum und Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) diskutieren. Der Finanzsenator befürchtet dadurch jährliche Einnahmeverluste in zweistelliger Millionenhöhe. Er verstehe es als seine Aufgabe, Landesvermögen zu schützen, sagte er.

Mit seinen Vorschlägen reagierte der Senator auf einen Tagesspiegel-Bericht vom Vortag, aus dem hervorgeht, dass die Finanzverwaltung die Direktvergabe landeseigener Grundstücke unter dem Verkehrswert gestoppt habe. In einem Brief an den Chef des Liegenschaftsfonds, der alle öffentlichen Immobilien verkauft, heißt es dazu: „Darüber hinaus bitte ich ab sofort, Entscheidungen für Direktvergaben nur noch in Ausnahmefällen vorzusehen“. Das Schreiben schließt mit der Bitte, bis zur Festlegung einer neuen Liegenschaftspolitik nicht mehr direkt zu vergeben, sondern „für bedingungsfreie Bieterverfahren zu votieren“. Die Finanzverwaltung hat die Aufsicht über den Liegenschaftsfonds.

Trotzdem dementierte Nußbaum am Dienstag nach der Sitzung des Senats, er habe die Direktvergabe landeseigener Grundstücke gestoppt. „Es ist unser laufendes Geschäft, mit dem Ziel einer Wohnungsbauförderung, öffentliche Immobilien auch unter Verkehrswert zu verkaufen“, versicherte er. Die Finanzverwaltung schaue sich nur „ein paar auffällige Fälle noch einmal genauer an“. Es gebe wegen der Wohnungsbau- und Liegenschaftspolitik auch keinen Streit mit dem Senatskollegen Müller. Allerdings ließ der Finanzsenator offen, ob er sich mit seinen Vorschlägen im Senat und in den Koalitionsfraktionen durchsetzen kann.

Die Bitte um eine Erklärung dafür, wie der Widerspruch zwischen Nußbaums Aussagen und den Anweisungen seines Hauses an den Liegenschaftsfonds aufzulösen ist, beantwortete die Finanzverwaltung bis Redaktionsschluss nicht.

Der Haushaltsexperte der Grünen, Jochen Esser, bewertete Nußbaums Vorstoß als ein „Störmanöver zur Verhinderung einer neuen Liegenschaftspolitik“. Seit Jahren vergebe der Senat Grundstücke direkt, ohne ein Bieterverfahren. Transparentere Regeln dafür hätte die Finanzverwaltung schon längst aufstellen können. Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU, Stefan Evers, sagte, die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag seien die „Geschäftsgrundlage“ des Senats.

Das sei auch dem Finanzsenator klar.Die wohnungspolitische Sprecherin der SPD, Iris Spranger, sprach von einer „Milchmädchenrechnung“. Ein bezahlbarer Wohnungsbau sei nun mal nicht gratis zu haben. Katrin Lompscher (Linke) erklärte, Nußbaums Entscheidung brüskiert nicht nur Stadtentwicklungssenator Müller. Sie gehe auch „völlig an den stadtpolitischen Erfordernissen vorbei“.

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