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Die Kleingartenkolonie Frieden möchte keine Migranten mehr aufnehmen.

© Tania Röttger

Diskriminierung in Berliner Laubenkolonie: Kleingartenanlage will keine weiteren Migranten

Unfrieden in der Kolonie Frieden. Die Mariendorfer Kleingartenanlage will keine weiteren Migranten und lehnt zwei türkischstämmige Familien ab.

Schwarzrotgold flattert vor dem Vereinsheim der Kolonie „Frieden“ an der Gottlieb-Dunkel-Straße in Mariendorf. Angesichts der derzeitigen Fußball-EM, wo die Fahnen allerorten wehen, ist das nichts Außergewöhnliches. Anders als die Vorwürfe, die Emine Ö. und Kenan I. (Namen geändert) gegen den Kolonievorstand und den Tempelhofer Bezirksverband der Kleingärtner erheben. Unabhängig voneinander wollen die beiden Kreuzberger mit ihren Familien schon seit geraumer Zeit in der Kolonie einen Garten pachten. Sie hatten sich beim Tempelhofer Bezirksverband beworben und für unterschiedliche Parzellen einen Besuchstermin erhalten. Beide Familien wurden abgelehnt. Nach ihren Angaben mit Verweis auf die türkische Herkunft.

Dann kam die böse Überraschung: Er bekam den Garten nicht

Im März 2015 wollte I. die Parzelle auf dem „Neuen Weg 2“ pachten. Er war froh, dieses Angebot bekommen zu haben. 7000 Euro Abstand für den Vorpächter erschien ihm zwar zu viel; aber er war bereit, das Geld zu zahlen. Auch der schlechte bauliche Zustand der Laube schreckte ihn nicht. „Wir haben Handwerker in der Familie, das schaffen wir schon“, sagte I. Aber dann kam die böse Überraschung: Ihm wurde gesagt, dass er den Garten nicht bekommt. Der Grund: Er sei kein reinrassiger Deutscher und Moslem. Es gebe rund 20 Prozent Ausländer in der Kolonie; mehr wolle man nicht.

Ähnliches erlebte auch Emine Ö.: Sie interessiert sich bereits seit Ende 2013 für einen anderen Garten in derselben Anlage (die im Übrigen nichts mit einer gleichnamigen Kolonie in Weißensee zu tun hat). Sie erhielt die Auskunft: „Sie bekommen in dieser Kolonie keinen Garten.“

Der Migranten-Anteil liegt bei 25 Prozent, sagt ein Vorstandsmitglied

Ein Mitglied des Kolonie-Vorstands bestätigt am Mittwoch, dass man den Anteil der Pächter nicht-deutscher Herkunft nicht erhöhen möchte. Dieser liege derzeit bei 25 Prozent. „Das soziale Gleichgewicht muss in der Waage liegen“, sagt er. Da bekomme er von den Nachbarn zu hören: „Setzt mir bloß keinen Türken rein!“ An sich gibt es nach seinen Angaben keine Probleme mit den migrantischen Pächtern. Nur manchmal gebe es Klagen, dass diese nicht am Vereinsleben teilnehmen und sich nicht an den Festen beteiligen.

Ähnliche Stimmen hört man an diesem Tag von Pächtern in der Kolonie, die durch die Autobahnzufahrt Gradestraße geteilt ist. Einer von ihnen weiß zwar von dem aktuellen Fall nichts, benennt aber Reibungspunkte. Ein türkischer Pächter, der schon seit 30 Jahren in Berlin lebt, habe etwa an einem Feiertag den Rasen gemäht, „nach dem Motto: Das ist euer Feiertag, nicht unserer“, erzählt der Kleingärtner. Andererseits habe die Parzelle hinter ihm ein Türke gepachtet, mit dem er sich gut verstehe. Sie rufen einander an, falls etwas ist, auch mit den Söhnen komme er klar. Auch er kritisiert, dass die meisten türkischen Pächter – und leider auch einige deutsche – sich nicht an den Koloniefesten beteiligen.

Ein anderer Laubenpieper verweist auf eine andere Kultur der Migranten: Sie äßen kein Schweinefleisch. Und das gebe es nun mal hauptsächlich bei den Kleingartenfesten. Andere beklagen Verstöße gegen die Satzung: Die Migranten grillten auch mit Holz und führen während bestimmter Ruhezeiten mit ihren Autos.

Norbert Gieseking arbeitet seit 1979 beim Tempelhofer Bezirksverband der Kleingärtner. Normalerweise gebe es keine kulturellen Probleme, sagt er. Ihm sei aus der Kolonie „Frieden“ aber auch berichtet worden, dass Pächter mit Migrationshintergrund kritisiert hätten, wenn eine Nachbarin im Bikini herumlaufe oder Alkohol getrunken werde. Der Bezirksverband ist dafür zuständig, die Bewerbungen zu sichten und Interessenten zu Besuchsterminen einzuladen; das Prozedere ist strikt geregelt. Der hohe Migrantenanteil beschäftigt Gieseking. „Wir wollen doch nicht wieder den Fehler der sechziger und siebziger Jahre machen, in denen die Ausländer nur in bestimmten Bezirken wohnen durften“ und sich deshalb dort ballten, sagt Gieseking. Da könne man doch nicht von Integration sprechen.

Der Kleingartenverband beruft sich auf das Gleichbehandlungsgesetz

Der Kleingartenverband habe deswegen eine Zeitlang einen Passus in seinen Verpachtungsbestimmungen gehabt, wonach eine unterschiedliche Behandlung möglich sei, um die soziale Mischung zu erhalten. So stehe es doch auch im Gleichbehandlungsgesetz. Dort bezieht sich die Passage allerdings nur auf den Wohnungsmarkt. Inzwischen habe man den Absatz gestrichen, sagt Gieseking.

Kerstin Kühn vom Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg spricht von einer „glasklaren Diskriminierung“: „Dass die Betroffenen noch immer keinen Garten haben, ist ein Skandal.“ Über das Netzwerk wurde Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) eingeschaltet, die sich mit den abgelehnten Kleingarten-Aspiranten traf und Verständnis für diese zeigte. Aber auch sie konnte für die Familien bisher nichts erreichen. Aber Schöttler will dranbleiben und erreichen, dass die Familien einen Garten bekommen. Laut Kühn muss der Bezirk mehr Rechte haben, um gegen solche Diskriminierung vorzugehen. Denn Kleingärten müssten laut Gesetz gemeinnützigen Zwecken dienen. Emine Ö. und Kenan I. wollen sich jetzt juristisch zur Wehr setzen. Sie prüfen eine Klage. Ob gegen die Verantwortlichen in der Kolonie oder gegen den Bezirksverband, das müsse der Anwalt entscheiden, sagt Ö. Das Antidiskriminierungsnetzwerk des türkischen Bundes wird sie dabei unterstützen.

Der Garten mit der heruntergekommenen Laube ist übrigens immer noch nicht verpachtet.

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