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Berlin: Diskussion im Tränenpalast über die innerdeutsche Grenze mit Dietmar Schultke

Der Dia-Vortrag des 32-jöhrigen Politologen wird moderiert von Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di LorenzoRobert Ide Dietmar Schultke schwärmte schon als Kind von der weiten Welt. Als 14-Jähriger bewarb er sich bei der Handelsmarine der DDR, um einmal nach Amerika reisen zu können.

Der Dia-Vortrag des 32-jöhrigen Politologen wird moderiert von Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di LorenzoRobert Ide

Dietmar Schultke schwärmte schon als Kind von der weiten Welt. Als 14-Jähriger bewarb er sich bei der Handelsmarine der DDR, um einmal nach Amerika reisen zu können. Doch der Schüler wurde 1981 "nach Prüfung aller Unterlagen" abgelehnt - sein Wunsch nach Reisefreiheit stellte ein politisches Risiko dar. Schultke pflegte zu diesem Zeitpunkt bereits eine jahrelange Brieffreundschaft mit einer älteren Dame aus New York, die einmal in seinem brandenburgischen Heimatdorf Ranzig vorbeigekommen war. Trotz misstrauischer Kontrolle durch den Staat aber hielt Schultke den Kontakt aufrecht.

Nach dem Mauerfall begann er seine publizistische Karriere. Der 32-jährige Politologe veröffentlichte jüngst eine faktenreiche Gesamtdarstellung des ostdeutschen Grenzregimes, welches ihn seinerzeit festgehalten hatte. Unter dem Titel "Keiner kommt durch" beschreibt er detailliert die Errichtung und beständige Abdichtung der deutsch-deutschen Trennlinie zwischen 1945 und 1989. Am heutigen Abend stellt Schultke, der selbst als Soldat am "antifaschistischen Schutzwall" dienen musste, sein Werk im Tränenpalast vor. Unter der Moderation von Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sollen auch unbekannte Bilddokumente der Teilung präsentiert werden.

Für eine lebhafte Diskussion dürften die jüngsten Urteile gegen Egon Krenz, Günter Schabowski und Günther Kleiber wegen der Todesschüsse an der Mauer sorgen. Der Buchautor begrüßt diese Prozesse als "moralische Chance" zur Aufarbeitung von SED-Unrecht. Seinen 18-monatigen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee empfand Schultke als "totalen Albtraum". Der strenge Drill in seinem Harzer Regiment setzte ihm ebenso zu wie die Bespitzelung durch andere Kameraden.

Am schlimmsten seien jedoch die sinnlosen Stunden gewesen, die er Wache im Niemandsland schieben musste. "Ich stand acht Stunden regungslos da und blickte sehnsüchtig hinüber in Richtung Westen", erinnert sich der Ex-Gefreite. Den einzigen Trost bildete eine Postkarte in seiner Brusttasche, die ihm seine Freundin aus Hawaii geschickt hatte. Der gelernten Dreher erhielt sie im Sommer 1986 am Tag seiner Einberufung.

Den 9. November 1989 erlebte Schultke am Bahnhof Friedrichstraße. Dort kaufte er sich ein Zugticket nach Prag, um endlich flüchten zu können. Benutzt hat er es dann nicht mehr. Dafür erfüllte er sich im Sommer 1990 seinen Lebenstraum: Er flog nach Amerika.Vortrag mit Diashow heute um 20 Uhr im Tränenpalast am S-Bahnhof Friedrichstraße. Eintritt 7 (ermäßigt 5) Mark.

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