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Mann, Mann, Frau, Frau: Es gibt rollenkonforme Homos - und solche, die mit Lust von der Norm abweichen.

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Update

Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule: Kann denn Ehe Sünde sein?

Nach Irlands Referendum wird auch in Deutschland die völlige Gleichstellung von Lesben und Schwulen bei der Ehe gefordert. Rechtlich ist die Öffnung der Ehe für Homosexuelle möglich - doch wie groß sind die Chancen, dass die Unionsparteien mitmachen?

Die Volksabstimmung in Irland hat die Diskussion um die vollständige Gleichstellung von Lesben und Schwulen neu entfacht. Aus dem Vatikan war am Dienstag eine harsche Reaktion zu hören. Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin bezeichnete das irische Ja zur Homo-Ehe als "Niederlage für die Menschheit". Das berichtete die DPA unter Berufung auf Radio Vatikan.

Auch in Deutschland ist die Debatte in vollem Gange. An diesem Mittwoch will das Kabinett zudem einen Gesetzentwurf beschließen, der Ungleichbehandlungen zwischen der Ehe und der Lebenspartnerschaft („Homo-Ehe“) verringern soll. Doch das geht der Opposition nicht weit genug: Sie pocht auf völlige Gleichstellung, will schwulen und lesbischen Paaren nicht nur die Ehe erlauben, sondern auch das volle Adoptionsrecht gewähren. Diesen Standpunkt vertritt auch die SPD – doch ihr Koalitionspartner, die Union, bremst noch. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das Thema.

Was plant die Regierung?

Nach dem Gesetzentwurf sollen in 23 Gesetzen und Verordnungen die Vorschriften für die Ehe auf homosexuelle Lebenspartnerschaften ausgedehnt werden. Justizminister Heiko Maas (SPD) befürwortet eine vollständige rechtliche Gleichstellung. Als Minister ist er aber Teil der Regierung und damit an den Kabinettswillen gebunden. Er selbst bedauert dies öffentlich: Eine vollständige Gleichstellung sei in der großen Koalition „leider nur schwer realisierbar“. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD sich nur darauf einigen können, Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, in allen gesellschaftlichen Bereichen zu beseitigen. Es findet sich ein abstraktes Bekenntnis zu Homo-Partnerschaften („Wir wissen, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind“). Es bleibt jedoch ohne weitere Folgen.

Wo gibt es Ungleichheiten?

Nach Zählung der Grünen-Fraktion gibt es Bedarf bei über 150 Regelungen in 50 Gesetzen und Rechtsverordnungen. Dazu zählen Vorschriften im Strafrecht oder der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung ebenso wie etwa im Infektionsschutzgesetz oder in der Insolvenzordnung. Am umstrittensten ist die Gleichstellungsfrage im Adoptionsrecht.

Wie gehen die Gerichte damit um?

Seit mehreren Jahren verfolgt das Bundesverfassungsgericht eine klare Linie. In einem halben Dutzend Entscheidungen hat es diskriminierende Regelungen kassiert. So hat es im Mai 2013 auch den Ausschluss vom Ehegattensplitting für verfassungswidrig erklärt. Solche Beschlüsse gab es bereits zur Hinterbliebenenversorgung, zur Erbschafts- und Schenkungssteuer, zur Grunderwerbsteuer.

Wie begründen die Richter ihre Haltung?

Sehr juristisch: Ungleichbehandlungen sind nur gerechtfertigt, wenn es dafür sachliche Gründe gibt. Ehe und Lebenspartnerschaft aber seien im Prinzip gleich, da in beiden Formen Menschen dauerhaft miteinander leben und füreinander einstehen wollten. Dass in Ehen häufiger Kinder leben und geboren werden, ist nach Ansicht der Richter kein ausreichender Grund für Diskriminierungen. Tatsächlich knüpften Vorteile wie das Ehegattensplitting auch nur an der Ehe selbst, nicht aber am Vorhandensein von Kindern an.

Worum geht der Streit bei der Adoption?

Noch ist es homosexuellen Lebenspartnern verwehrt, sich bei den Jugendämtern um Adoptionen zu bewerben. Allerdings haben die Verfassungsrichter klargestellt, dass Kinder bei ihnen genauso gut aufwachsen können wie bei heterosexuellen Eltern. Mit diesem Argument haben sie auch die so genannte Sukzessivadoption ermöglicht, mit der Lebenspartner die adoptierten Kinder des Partners annehmen können. Wie sich Karlsruhe aber zu einer Adoption durch beide Partner verhalten würde, ist ungewiss. Schließlich geht es eher um empirische als um Rechtsfragen. Es kann sein, dass die Richter hier größere Beurteilungsspielräume lassen.

Ist die Öffnung der Ehe für Homosexuelle rechtlich möglich?

Prinzipiell ja. Die Frage ist nur, ob für ein entsprechendes Gesetz eine Verfassungsänderung nötig wäre, die im Bundestag nur mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden kann. Unter Juristen herrscht die Meinung vor, dass der Schutz der Ehe im Grundgesetz nur Mann und Frau als Partner erfasst. Auch Urteile des Verfassungsgerichts gehen in diese Richtung. Dennoch müssen diese Festlegungen nicht für alle Zeiten so bleiben. Das jüngste Urteil zum Kopftuch für Lehrerinnen hat gezeigt, dass die Richter ihre Haltung korrigieren, wenn sich die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern.

Die Union tut sich schwer mit der Homoehe

Warum tut sich die Union mit der Homoehe so schwer?

Es gibt nicht mehr viel, das die verbliebenen Konservativen in der Merkel-CDU als identitätsstiftend bezeichnen würden. Was die Union früher zusammenhielt und von anderen Parteien unterschied, war vor allem ihr Familienbild und ihre Wertschätzung der traditionellen Ehe: Der Vater arbeitet und verdient das Geld, die Mutter kümmert sich zuhause um Kinder und Haushalt. Davon ist wenig geblieben – weder in der Lebensrealität der Deutschen noch in der politischen Programmatik der Union. Der neuen Vielfalt der Lebensentwürfe tragen die Christdemokraten seit 2007 in ihrem Grundsatzprogramm mit dem Satz Rechnung: „Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung tragen.“

Überhaupt hat sich die Union unter der Führung von Angela Merkel radikal von früheren Gewissheiten verabschiedet. Die Stichworte lauten Ende der Wehrpflicht, Abschied von der Atomkraft, Bekenntnis zur Einwanderungsgesellschaft. Und Toleranz gegenüber Homosexuellen – politische Aufstiegschancen auf CDU-Ticket inklusive. Nur eines hat sich die in zweiter Ehe verheiratete, kinderlose Politikerin bisher nicht getraut, ihrer Partei und dem in Teilen katholisch-konservativen Wählermilieu zuzumuten: die völlige rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben. Und so sagte Merkel im Bundestagswahlkampf 2013 auf eine Frage zum vollen Adoptionsrecht homosexueller Paare gequält: „Ich persönlich tue mich schwer damit.“

Welche Rolle spielen anstehende Wahlen?

Gleichstellung total? Auch jetzt reagiert die CDU-Führung zögerlich auf das irische Referendum und entsprechende Forderungen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber machte deutlich, dass die Union nicht über das hinausgehen wird, was sie mit der SPD bereits verabredet hat: „Wir haben im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbart, rechtliche Regelungen zu beseitigen, die gleichgeschlechtliche Paare schlechter stellen. Das werden wir umsetzen“, sagte er. Sogar offen schwule CDU-Politiker wie Präsidiumsmitglied Jens Spahn und der Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann ordnen sich dieser Linie unter – sie wollen ihrer Partei mehr Zeit zur Debatte geben.

Das hat handfeste machtpolitische Gründe. Im Frühjahr 2016 will die Union in ihrer früheren Hochburg Baden-Württemberg die Macht zurückerobern und auch in Rheinland-Pfalz Rot-Grün kippen. Dazu ist sie auf den Zuspruch der ländlichen Wähler angewiesen, für die der Kirchgang am Sonntag fest zum Leben gehört. An sie richtete sich Baden-Württembergs CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, als er im April erklärte: „Für mich ist die Schöpfung darauf ausgerichtet, dass Mann und Frau sich zusammentun, um Kinder auf die Welt zu bringen. Daraus und vom Wohl des Kindes her gedacht kann ich mir ein Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare nicht vorstellen“.

Offen ist, ob die Strategie aufgeht. Womöglich verliert die CDU mit solchen Sprüchen mehr Wähler in den Städten, als sie auf dem Land an sich binden kann. Eines steht aber jetzt schon fest: Angela Merkel und ihre CDU werden aus dem Wahlergebnis ihre Schlüsse ziehen.

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