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Dokumentiert: Migrantenvertreter an Kolat: "Wir sind kein Nickverein"

Hier dokumentieren wir im Wortlaut die Pressemitteilung der "MigrantenvertreterInnen im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen" und deren Kritik an Senatorin Kolat.

An den
Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen
Vorsitzende Frau Senatorin Kolat
Sehr geehrte Frau Senatorin,
Sehr geehrte Beiratsmitglieder,

bei der Wahl zum Landesbeirat im Mai haben wir uns sehr gefreut, die Integrations- und Migrationspolitik in unserer Stadt mitgestalten zu dürfen. Es ist nun aber eine Ernüchterung eingetreten. Da wir schon seit langem beobachten müssen, dass Senatorin Kolat den Beirat nicht so unterstützt wie wir gehofft haben. Ganz im Gegenteil. Wir haben den Eindruck, dass der Beirat kalt gestellt werden soll.

Die Wahl vom Dezember 2011 musste wiederholt werden, weil Frau Kolats Verwaltung gravierende Fehler gemacht hat. So verlor der Beirat fast ein Jahr, in dem wir uns mit aktuellen Themen in dieser Stadt hätten befassen und uns in den Arbeitsgruppen wichtigen Themen widmen können. Das sind für uns einige von vielen Zeichen, die für die Außerkraftsetzung des Beirats durch die Senatorin sprechen.

Es hat damit angefangen, dass Frau Senatorin Kolat die destruktive Kampagne von abgewählten MigrantenvertreterInnen zumindest geduldet hat. Sie hat unsere Verärgerung und Wut über die Beschädigung des Beirats und die Schmutzkampagne gegen demokratisch gewählte und legitimierte MigrantenvertreterInnen nicht ernst genommen. So wurde die diesbezügliche Erklärung der MigrantenvertreterInnen bei der konstituierenden Sitzung des Beirats blitzschnell abgewürgt und so der Austausch darüber verhindert. Im Nachhinein erfahren wir, dass genau diese Vereine und Personen die bevorzugten Ansprechpartner der Senatorin sind, die sie zu sich einlädt und ihre Vereine auch frequentiert. Nicht ganz zufällig sind es auch diese Vereine und Personen, die den Löwenanteil der Förderungen ihres Hauses erhalten, kritische und kompetente Migrantenvereine und Personen jedoch ausgegrenzt werden. Diese einseitige Förderpolitik, Günstlingswirtschat und Ämterpatronage werden wir auch im Beirat thematisieren.

Senatorin Kolat sucht das Gespräch mit den gewählten MigrantenvertreterInnen im Landesbeirat nicht. Wie wir mitbekommen haben, sucht sie nur Kontakt zu MigrantInnen aus ihrem Dunstkreis, die sie auch politisch und finanziell fördert. Bisher haben kein Kennenlernen und kein Meinungsaustausch stattgefunden. Die konstituierende Sitzung war auch sehr enttäuschend. In dieser Sitzung weigerte sich die Senatorin konsequent, unsere Fragen zum Thema Integrationsbeauftragter zu beantworten, vor allem welche neue Rolle er spielen soll, und was seine offensichtliche Degradierung zu bedeuten hat. Der respektlose Umgang mit MigrantenvertreterInnen während der Sitzung war offensichtlich. Es ist respektlos gegenüber dem Gesamtbeirat, dass die Termine für den Beirat nach wie vor nicht feststehen und noch nicht mal eine ordentliche Sitzung nach der Konstituierung stattgefunden hat. Bisher war es Usus, dass die Termine im Beirat gleich am Anfang feststanden, was auch die Planungssicherheit erleichterte.

Liebe Beiratsmitglieder, wir hoffen, dass Sie unsere Entscheidung verstehen, bei so viel respektlosem Umgang und Nichtbeantwortung unserer Schlüsselfragen zum Integrationsbeauftragten nicht zu einem reinen Nickverein verkommen zu wollen. Deshalb fordern wir die Senatorin auf, eine reguläre Sitzung, auf die wir sehnsüchtig warten, einzuberufen, wo wir uns endlich inhaltlich einbringen können. Wir schlagen folgende Tagesordnungspunkte für die nächste Sitzung vor:

Gründung der Arbeitsgruppen

Wahl stellvertretende/r Vorsitzende/r

Entsendung von MigrantInnen in die Gremien

Inhaltliche Themen werden wir nachreichen, wenn der Termin feststeht.

Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie der Landesbeirat zu einer Alibiveranstaltung verkommt. Die Sondersitzung bzw. „Anhörung“ am 05.09.12 werten wir auch als Alibiveranstaltung. Wenn sich die Senatorin weigert, die Rolle der/s Beauftragte/n klar zu definieren, sehen wir uns nicht in der Lage, vernünftig über das Thema zu diskutieren. Einer Show, um die legale Voraussetzung vorzutäuschen, werden wir nicht als Statisten beiwohnen.

Senatorin Kolat hat ihre Entscheidung getroffen. Sie hat ihre Integrationsbeauftragte bereits jetzt ernannt. Bereits gestern hatte sie ihre Wahl an die Presse durchsickern lassen. Dies widerspricht § 5 Abs. 1 des Integrations- und Partizipationsgesetzes des Landes Berlin. Denn danach ernennt der Senat die Integrationsbeauftragte ausdrücklich erst nach der Anhörung des Landesbeirats für Integrations- und Migrationsfragen. Sinn und Zweck ist dabei der Austausch zwischen den Migrantenvertretern und den weiteren Beiratsmitgliedern über die Kandidaten für das Amts des/der Integrationsbeauftragten. Nun verkündet die Senatorin die Ernennung schon vor der Anhörung in einer Pressemitteilung mit Sperrfrist. Die angekündigte "Anhörung" des Landesbeirats heute um 17:30 Uhr wird dadurch zu einer formellen Farce. Es wird der Eindruck erweckt, dass es sich um eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit, die gesetzlich geforderte Anhörung des Beirats habe stattgefunden, handelt. Wir sind entsetzt sowie empört und fühlen sich durch den skandalösen Vorgang betrogen. Deshalb boykottieren wir die heutige Anhörung, die wir als reine Alibi-Veranstaltung werten.

Wir fordern Senatorin Kolat auf, das Täuschungsmanöver um die Anhörung des Landesbeirats lückenlos aufzuklären.

Wir wünschen uns zukünftig eine respektvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit allen Beiratsmitgliedern und der Senatorin.

Mit freundlichen Grüßen

Alle gewählten HauptvertreterInnen von Migranten im Landesbeirat für Migration und Integrationfragen: Azamat Damir, Dr. Ilmira Miftakhova, Mustafa Özdemir, Natasha A. Kelly, Pinar Cetin, Roman Kurz, Yonas Endrias und die StellvertreterInnen, Barbaros Kaman, Mohamad Hajjaj, Akinola Famson, Lucyna Krolikowska, Meho Travljanin, Ali-Hikmet Cambudak

Die Pressemitteilung der Migrantenvertreter im Wortlaut

Wir sind kein Nickverein

MigrantenvertreterInnen boykottieren Kolats Anhörung zur Piening Nachfolge

(Berlin, 6.9.2012) Die Senatorin Kolat hat ihre Entscheidung getroffen. Sie hat ihre Integrationsbeauftragte bereits jetzt ernannt. Bereits gestern hatte sie ihre Wahl an die Presse durchsickern lassen. Dies widerspricht § 5 Abs. 1 des Integrations- und Partizipationsgesetzes des Landes Berlin. Denn danach ernennt der Senat die Integrationsbeauftragte ausdrücklich erst nach der Anhörung des Landesbeirats für Integrations-und Migrationsfragen. Sinn und Zweck ist dabei der Austausch zwischen den Migrantenvertretern und den weiteren Beiratsmitgliedern über die Kandidaten für das Amts des/der Integrationsbeauftragten. Nun verkündet die Senatorin die Ernennung schon vor der Anhörung in einer Pressemitteilung mit Sperrfrist. Die angekündigte "Anhörung" des Landesbeirats heute um 17:30 Uhr wird dadurch zu einer formellen Farce. Es wird der Eindruck erweckt, dass es sich um eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit, die gesetzlich geforderte Anhörung des Beirats habe stattgefunden, handelt. Die MigrantenvertreterInnen des Landesbeirats sind entsetzt sowie empört und fühlen sich durch den skandalösen Vorgang betrogen. Deshalb boykottieren sie die heutige Anhörung, die sie als reine Alibi-Veranstaltung werten.

Die Stelle der/s Integrationsbeauftragten wurde durch die Senatorin Kolat von einer abteilungsübergreifenden Stabstelle des Senats um mehrere Stufen herunter zum Abteilungsleiter herabgestuft, so dass nicht mal mehr die Rede von einer/m „Beauftragte/r“ sein kann. Denn ohne mit den dazu benötigten Befugnissen und vor allem der Unabhängigkeit ausgestattet zu sein, ist es nicht möglich, als „Beauftragte/r“ zu agieren. Sie oder er soll nun als AbteilungsleiterIn die reguläre Verwaltungsarbeit verrichten. Mit der Zusatzfunktion „Beauftragte/r“ hätte sie/er wohl sich selbst kontrollieren müssen: an sich eine widersprüchliche Funktion. Die gewählten MigrantenvertreterInnen im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen sind über diesen Vorgang irritiert und warnen vor der sich abzeichnenden Kahlschlagpolitik der Senatorin für Integration, die sich auch darin wiederspiegelt, dass der Landesbeirat seit seiner Konstituierung im Juni 2012 zu keiner ordentlichen Sitzung einberufen wurde, obwohl dringende Voraussetzungen wie die Wahl der/s stellvertretenden Vorsitzenden des Beirats sowie die Gründung von Arbeitsgemeinschaften für das Funktionieren des Beirats noch nicht geschaffen wurden.

Die MigrantenvertreterInnen sind auch über den respektlosen Umgang der Senatorin mit den demokratisch legitimierten MigrantenvertreterInnen verärgert. Bei der ersten Sitzung des Beirats verweigerte die Senatorin, adäquate Antworten zu geben. Es geht u.a. um Fragen der Rolle der/s Migrationsbeauftragten, ihre/seine Abstufung, ihre/seine Befugnisse und das Auswahlverfahren. Die MigrantenvertreterInnen kritisieren das intransparente Auswahlverfahren und die Defacto-Abschaffung der/s Integrationsbeauftragten. Unter diesen Umständen weigern sich die MigrantenvertreterInnen die Anhörung des Beirats mit ihrer Anwesenheit zu legitimieren. Sie wollen kein Teil einer Show sein, die veranstaltet wird, um die legale Voraussetzung der beim Integrations- und Partizipationsgesetz vorgesehenen „Anhörung“ zu erfüllen ohne eine effektive Mitsprache des Beirats.

Wir fordern Senatorin Kolat auf, das Täuschungsmanöver um die Anhörung des Landesbeirats lückenlos aufzuklären.

Wir fordern Senatorin Kolat auf, die/den Integrationsbeauftragte/n mit allen notwendigen Befugnissen auszustatten und die Unabhängigkeit und Befugnisse einer/s Beauftragten zu respektieren.

Wir fordern Senatorin Kolat auf, den gesetzlich verankerten Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen zu respektieren und konstruktiv mit uns zusammenzuarbeiten. Der Beirat wurde vom Senat als höchstes Organ der Integration eingerichtet. Laut Senat soll er ein Ort sein, wo MigrantInnen am politischen Entscheidungsprozess beteiligt werden. Dies soll auf „Augenhöhe“ geschehen. Dies gilt auch für eine Senatorin mit „Migrationshintergrund“. Wir werden den Auftrag unserer WählerInnen nicht enttäuschen und werden Alibi-Veranstaltungen nicht mit unserer Anwesenheit legitimieren.

Alle gewählten HauptmigrantenvertreterInnen im Landesbeirat für Migrations- und Integrationfragen: Azamat Damir, Dr. Ilmira Miftakhova, Mustafa Özdemir, Natasha A. Kelly, Pinar Cetin, Roman Kurz, Yonas Endrias

Und die Stellvertreter: Barbaros Kaman, Mohamad Hajjaj, Akinola Famson, Lucyna Krolikowska, Meho Travljanin, Ali-Hikmet Cambudak

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