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Berlin: Dramatischer Auftritt für die Ku’damm-Bühnen

Rund 500 Menschen protestierten gegen die Schließung der Boulevardtheater. Deutsche Bank soll neues Angebot vorgelegt haben

Der Zug hat sich kaum in Bewegung gesetzt, da ist er auch schon beim „Feind“ angekommen. Deutsche Bank, Unter den Linden. Es wird laut, Trillerpfeifen schrillen. Buhrufe. Politiker reden, Alice Ströver und Franziska Eichstädt-Bohlig von den Grünen. Was sie sagen, klingt kämpferisch. Dass nun Zusammenhalt gefordert sei, dass die Berliner ihre Kultur nicht aufgeben dürften. Die rund 500 Demonstranten, darunter Schauspieler wie Hans-Jürgen Schatz, Ilja Richter, und der Dramatiker Rolf Hochhuth, jubeln.

Für viele, die der Berliner Theaterclub zu dieser Kundgebung vom Bebelplatz bis zum Ku’damm gerufen hat, ist es ein Kampf, in dem es um Leben oder Tod geht, symbolisch selbstredend. Die Theater am Ku’damm sind von der Schließung bedroht. Eine Tochterfirma der Deutschen Bank hatte angekündigt, dort, wo derzeit noch auf zwei Bühnen gespielt wird, ein Einkaufszentrum bauen zu wollen. Für den Fall, dass es jemand noch nicht begriffen haben sollte, tragen ein paar Männer weit vorne im Demonstrationszug einen lilafarbenen Sarg. Der Sarg bedeutet: Man muss was tun, sonst kann man die Kultur demnächst beerdigen. Erst das alte West-Berlin, dann vielleicht bald den Rest der Berlin-Kultur. Auch solche Dinge sind in den Reden zu hören.

Doris Milfeld ist enttäuscht. Bis auf den Moment vor dem Deutsche-Bank-Museum ist es ihr zu leise. Sie ist keine Frau, die wirkt, als pflege sie lautstarke Auseinandersetzungen. Sie trägt eine gepflegte Föhnfrisur, einen schwarzen Mantel und dazu ein Halstuch mit Leopardenmuster. Der Protest sei ihr zu brav, klagt sie. Sie ist erfahrene West-Berlinerin. Wie die beiden Freundinnen, mit denen sie gekommen ist. „In so einer Situation muss man doch alles mobilisieren.“ Die Situation: Die Bank hat angeboten, in einem „umstrukturierten“ Ku’damm-Karree im zweiten Obergeschoss ein neues Theater mit 650 Plätzen zu bauen. Mit Front und direktem Zugang zum Kurfürstendamm, mit verglastem Foyer. Zudem, ist aus Berliner Immobilienkreisen zu hören, wolle sie zur Unterstützung des Theaters eine siebenstellige Summe zur Verfügung stellen und eine Festmiete deutlich unter den üblichen Ku’damm-Mieten anbieten. Laufzeit 15 Jahre. Und: Die Kündigung könne auf den 30. Juni 2007 verschoben werden. Außerdem soll die Bank dem Theater angeboten haben, die aktuelle Miete zu senken – und für gestundete Mietforderungen eine Lösung zu finden.

Theater-Betreiber Martin Woelffer bestätigte, dass die Bank Forderungen in Höhe von rund 360 000 Euro gestundet hat. Von einem Entgegenkommen bei der künftigen Miete wisse er bislang nichts. Ein Theater im zweiten Stock lehne er aber ab. Es ändere sich nichts daran, dass zwei historische Bühnen verschwinden müssten. Das Schillertheater soll als Ausweichmöglichkeit diskutiert werden, Woelffer lehnt das ab. Die Bank selbst wollte sich gestern nicht äußern. Ein Sprecher sagte, man habe den „generellen Willen, eine Lösung zu finden“. Der Regierende Bürgermeister, das ist neu, macht nur bedingt Hoffnung. Auf der Abschlusskundgebung vor den Ku’damm-Bühnen sagt Klaus Wowereit: Er könne sich zurzeit nicht vorstellen, dass es hier künftig zwei Theater geben werde. Er wird ausgepfiffen. Etwas später singt der Liedermacher Klaus Hoffmann: „Verkaufe dich nicht, Berlin“.

Egon Bahr, die frühere SPD-Größe, sagt: „Zur Einheit der Stadt gehört, dass der Westen nicht vertrocknet.“ Hier gebe es ein Erbe, das nicht verloren gehen dürfe. Stürmischer Applaus.

Christian van Lessen, Marc Neller

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