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Berlin: Draußen vor der Hoteltür

Ist Berlin so schlecht wie sein Ruf? Die Stadt im Freundlichkeits-Check

Die „freundlichsten Berliner Hotels 2003“ haben einen Haken: Der Weg zu ihnen führt durch Berlin. Für den Preis als freundlichste Stadt war Berlin nie nominiert. Ist es wirklich so schlimm? Wird man aus dem Bus geworfen, wenn man nicht passend zahlt? Oder aus dem Taxi, wenn man dessen Fahrer nach dem Bus zum Regent Schlosshotel fragt? Auf einer Reise zu den freundlichen Hotels sahen wir Abgründe und Hoffnungsschimmer.

An der Kurfürstenstraße kommt gerade der 348er zum Breitenbachplatz. Schlosshotel? In der Brahmsstraße, Grunewald? Der Fahrer macht eine Denkpause, als gäbe es keinen Fahrplan. „Kenn’ ick nich’. Nehmse mal den 148er!“ Das ist uns zu vage; also fahren wir erst zum Schweizerhof in die vertraute Budapester Straße. Der Busfahrer betrachtet den 20Euro-Schein wie einen toten Fisch. „Hamses nich’ kleener?“ Haben wir nicht. Er winkt uns durch, knurrt: „Mann, dit sind 40 Mark“, wir sparen zwei Mal zwei Euro zehn, Kontrolleure sind nicht in Sicht.

Der nächste Busfahrer wechselt ohne Gegenwehr, aber die Brahmsstraße kennt auch er nicht. Am Europacenter steigen wir aus, fragen einen Wachmann nach dem Schweizerhof und bekommen eine ausgezeichnete Wegbeschreibung mit slawischem Akzent.

Angesichts von vier Sternen wirkt der Nagel in den Tiefen des Ledersessels in der Hotellobby deplatziert. Aber die Kellnerin ist flink und freundlich, der Milchkaffee gut und das bestellte Leitungswasser wohltemperiert – und gratis. 6,75 Euro stehen auf der Rechnung, die Kellnerin wechselt unsere 50 Euro klaglos. Und wie geht es zur Brahmsstraße? „Hm, am Zoo fährt ein Bus Richtung Grunewald. Aber welcher, weiß ich nicht.“

Wenn wir gerade hier sind, schauen wir gleich im ebenfalls ausgezeichneten Heckers Hotel vorbei. Am Taxistand schläft ein Fahrer bei laufendem Motor. „Sonst frierste dir ja den Arsch ab“, sagt er nach dem Aufwachen mit Küstenakzent. Fünf Minuten und 5,10 Euro später sind wir da. Unseren 50-Euro-Schein quittiert er mit einem Schmerzenslaut. Einen 20er akzeptiert er. Und die Brahmsstraße? „Da fährt ein Bus von hier, aber ich weiß nicht, welcher.“

Der Barkeeper in Heckers Hotel mixt eine Apfelsaftschorle binnen zehn Sekunden, redet den knausrigen Gast abwechselnd mit „Sir“ und „Monsieur“ an und fragt ausgesucht höflich nach einem kleineren Schein. Nur die Brahmsstraße kennt er nicht.

Der Kiosk im Bahnhof Adenauerplatz verspricht „Tickets und mehr“, aber Wegbeschreibungen gibt’s nur an der Info-Säule auf dem Bahnsteig. „Einen Moment bitte!“, krächzt der Lautsprecher. Eine Minute später ist zwar die U-Bahn weg, aber die Auskunft da: Im 210er bis Teplitzer Straße und mit dem 186er zur Richard-Strauss-Straße, schallt es aus der Säule. Wir sind beeindruckt. Alle Umstehenden auch. obs

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