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Gegner der vollbusigen Puppe nutzten die Eröffnung des Barbie-Hauses für flammenden Protest.

© dpa

Dreamhouse eröffnet in Berlin-Mitte: Barbies rosarote Lebenswelt

Barbie eröffnet ihr Museum in Pink. Doch es kommen vor allem Protestler. Ein Eröffnungsrundgang mit dem Mädchen Selina – und den eigenen Erinnerungen unserer Autorin.

Von Julia Prosinger

Es riecht nicht gerade hochwertig hier im Eingang des Barbiehauses, am Tag der Eröffnung. Nach Farbe, Plastik, warmem Gummi. Gut gerochen hat Barbie auch nie. Manchmal hat man sie gebadet, parfümiert.

Aber es riecht nach Kindheit.

Die Kiesel an der Treppe zum Eingang haben ein wenig pinke Farbe abbekommen. Der PVC-Belag schlägt noch Wellen. Das „Traumhaus“ gleich hinter dem Alexa-Einkaufszentrum – Kinder können hier auf 2500 Quadratmetern Barbies Lebenswelt kennenlernen – wurde erst kurzfristig fertig, der Eröffnungstermin verschoben. Das mit dem Termin hat Selina, fast vier Jahre alt, geärgert. Sie wartet seit Wochen, dass es losgeht. Heute Morgen ist sie um sechs Uhr aufgestanden, hat ihrer Mutter ein pinkes T-Shirt vorgeschrieben, sie selbst trägt pinken Haarreif, rosa Jeansjacke, pinke Leggings, Barbieschuhe, ein Kleid mit Barbie-Aufdruck. Gestern musste ihr die Mutter die Nägel violett lackieren, mit Stempeln, die einen Barbiekopf mit Pferdeschwanz zeigen.

Es sind nur wenige Familien da an diesem Donnerstagmorgen. Geschäftsführer Christoph Rahofer glaubt, dass viele wegen der angekündigten Proteste daheim geblieben sind. Denn nicht alle haben diesen Tag herbeigesehnt.

Selina gibt ihre Eintrittskarte ab. 12 Euro kostet ein Tagesticket für Kinder, 15 eines für Erwachsene, Familienpreise gibt es auch. Das Mädchen erhält ein zartrosa Plastikband.

„Bist Du ein Junge oder ein Mädchen?“, fragt der Computer im Eingang, als sie das Band dagegenhält. Den ganzen Vormittag hat nur ein Junge das Haus besucht, er begleitet seine Schwester.

Dann geht es mit einem Fahrstuhl nach oben. Er wackelt, und an den Fenstern zieht eine Landschaft vorbei. Der Fahrstuhl ist ein Simulator, das Barbiezelt ist ebenerdig.

„Fühlt euch wie zu Hause“ , ruft eine verzerrte Stimme, Barbie. Selina reißt die blauen Augen auf. Sie betritt jetzt eine pinke Küche, backt Cupcakes auf einem Monitor. Sie zieht die Zutaten mit dem Zeigefinger in einen Topf. Hinter ihr steht ein pinker Plastikpudel mit Krone. Auf einer Theke reihen sich Cupcakes aus Plastik. „Wie sie nur so schlank bleibt, wenn sie das alles isst?“, fragt sich eine Mutter. Barbies Maße, hochgerechnet 99-46-84, wurden schon wissenschaftlich untersucht. Angeblich würde sie vornüberfallen, wenn sie echt wäre.

„Lass uns mal den Papa anrufen, der macht sich Sorgen“, sagt Selinas Mutter. Linke Chaoten, Randalierer, hätten sich angekündigt.

Die stehen schon vor dem Eingang. Es sind junge Leute der Bewegung „Occupy Barbie Dreamhouse“, die auf Facebook 2000 Unterstützer haben, männliche Aktivisten in Röcken und mit Perücken. Es sind auch Mütter mit Kindern, die nicht denken, dass Barbie emanzipiert ist, nur weil Ken lediglich ein Accessoire ist, weil sie auch schon Pilotin oder Ärztin war.

Eine Mutter erzählt, wie sie sich mit ihrer Tochter in der Nationalgalerie alte Meister und üppige Frauenformen anschaut, um deren Schönheitsideal zu verändern.

Es sind Leute von „Pinkstinks“, die gegen geschlechterspezifisches Spielzeug demonstrieren. „Es ist nichts dabei, sich an Mamis Kleiderschrank zu verschönern“, sagt eine Mutter. „Aber Matell, lasst Barbie zunehmen, macht ihren Hals ein wenig kürzer!“ Eine Mutter erzählt, wie sie sich mit ihrer Tochter in der Nationalgalerie alte Meister und üppige Frauenformen anschaut, um deren Schönheitsideal zu verändern.

Nach einer halben Stunde vertreibt sie die Security von Barbie. Privatgelände.

„Es gibt eben Dinge, die sind mehr für Jungen und andere, die sind mehr für Mädchen“, sagt Rahofer.

Selina läuft jetzt durch eine Winterwelt, blau-weiße Glitzerkutsche, Eiszapfen, Kristalle. Dann kommt sie in Barbies Wohnzimmer. Rosa Flügel, Sparschwein, in Vitrinen Pappbücher ohne Namen. „Barbie kann lesen!“, schreit eine belgische Studentin. Sie und ihre Freundin haben viel Berliner Kultur gesehen in den letzten Tagen, Pergamonmuseum, Reichstag, Berghain. Heute albern sie einen Vormittag in der rosa Welt herum.

Später wird sich hier eine Frau mit nacktem Oberkörper in den unechten Brunnen werfen, ein Mann wird ein brennendes Holzkreuz ins Barbiehaus werfen und auf seinem Weg des Widerstands einen Kinderwagen umreißen. Es liegt kein Kind darin. Die Polizei rückt an mit schusssicheren Westen. Der Themenpark wird fast am ersten Tag wieder geschlossen.

Die Linksjugend Neukölln, auch Pinkstinks, distanziert sich später von jeder Gewalt. „Das war eine bescheuerte Aktion, wir haben damit nichts zu tun“, sagt ein Sprecher auf der Kundgebung vor der Weltzeituhr am Alexanderplatz. Etwa 200 Gegner haben sich versammelt, sie tragen Sticker: „Riots not diets“ und sie sagen, dass sie nicht gegen Puppen sind, aber gegen Profit, der mit den Träumen von Mädchen gemacht wird.

Selinas Mutter, gerade steht sie am nachgebauten Strand von Malibu, wo Barbie herkommt, versteht die Argumente nicht. „Das sind doch Kinder“, sagen auch die anderen Eltern. Selina legt sich in einen blau-weiß gestreiften Sonnenstuhl, läuft ungerührt an Vitrinen voller Barbies vorbei. Sie interessiert das Barbieschlafzimmer. Dort brennt in der Ecke ein Feuer – auf Leinwand.

Das Gefühl von Kindheit.

Ans Bett dürfen die Pressefotografen nicht heran. Anordnung des Herstellers Matell. Selina hält das Armband mit dem Chip gegen die Rückwand des Bettes. Drauflegen will sie sich nicht, die Kissen und Decken sind aufgemalt, das Plastik hart. Am Himmel des Himmelbettes drehen sich Wolken, SELINA, steht da. Aber Selina kann noch nicht lesen.

Sie will viel lieber wissen, wo Barbie aufs Klo geht. Vor der Toilette drückt Selina auf einen Knopf, der Deckel öffnet sich, hinaus springt ein Delfin. Selina erschrickt, weicht zurück.

Nun geht es vorbei an Barbies Kleiderschrank, an- und ausziehen, darum ging es doch immer. Erinnerungen an Barbies mit Rastazöpfen, Jeansjacken und knappen Lederröcken. Auch das Schamgefühl ist wieder da. Die Eltern wollten, dass man mit richtigen Puppen spielt, mit der schwarzen Puppe und dem Puppenjungen, mit Puppen, die von Oma gestrickte Kleider tragen und Fantasienamen haben. Barbie war immer ein Kampf: Herz gegen Verstand.

In kleinen Fenstern stehen Hunderte von Schuhen. Barbieschuhe – Kindheitserinnerungsschuhe. Weiße Pumps, neongrüne Sandalen und immer rutschten sie von Barbies schlanken Füßen. Immer fehlte einer. Immer gab es Streit deshalb.

Da trägt eine Frau – „Friend“ heißt es auf ihrer Brust – Glitzer auf Selinas Wangen und Lidschatten auf, dreht ihr die blonden Locken zur Seite. Neben Selina bekommt eine Vierjährige ihre erste Maniküre. „Schminken nur heute“, sagt Selinas Mama, „wir sind ja hier nicht in Amerika.“ Kurz darauf laufen drei Mädchen in Engelsflügeln über einen schimmernden Laufsteg. Selina will auch, sie klatscht im Takt zur Musik. Aber ihre Mutter hat die Zusatztickets für die „Fashion World“ nicht gekauft, zehn Euro kostet Umziehen und Laufen.

Selina und ihre Mutter kamen geschmückt ins pinke Haus.
Selina und ihre Mutter kamen geschmückt ins pinke Haus.

© Kitty Kleist-Heinrich

Dann beginnt sie eine Büste zu kämmen, bringt violette Klammern an, lachsfarbene Bänder. Selinas Mutter fotografiert das Werk. „Für die Arbeit.“ Selinas Mutter ist Frisörin.

Da ist es wieder, das Gefühl von Kindheit. Diese glatten Strähnen, die durch die Finger fallen, zu seidig, um echt zu sein. Manchmal hat man sie aus Experimentierfreude abgeschnitten, bestimmt auch einmal aus Wut, und es dann bereut.

Am Ausgang bekommt Selina ein Barbiekleid und den Barbiekopf zum Kämmen. Komm, sagt Selina, noch mal zum Laufsteg! Ach lass mal. Selinas Mutter ist ein wenig schwindelig. Der Plastikgeruch, das grelle Pink, Barbies Stimme im Ohr. Das Gefühl, erwachsen zu sein.

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