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Berlin: Drei Jahre Haft für räuberische Oma

70-Jährige überfiel zwei Banken. Sie hatte Schulden. Der Richter fand sie kaltschnäuzig

Mit dem Appetit auf Kohlroulade endete die lange Zeit der Angst vor Entdeckung. Die 70-jährige Dame ging in die Gaststätte „Zum Alten Tor“, ein rustikales Lokal mit deutscher Küche. Doch dort hing neben der Kasse schon seit zwei Jahren ihr Fahndungsfoto: Regina L. wurde gesucht, da sie zwei Banken überfallen hatte. Sie bestellte, der Wirt rief die Polizei, das war am 1. November 2005. Untersuchungshaft folgte. Und gestern der Prozess.

Aus verzweifelter Geldnot habe sie gehandelt, sagte Regina L., Kredite, Rechnungen, sogar Mieten waren unbezahlt geblieben, Kündigung drohte. Sie biss sich auf die Lippen, manchmal weinte sie, sichtlich mitgenommen von der Wendung, die ihr vielleicht nie sehr glückliches Leben am Ende genommen hat. Den Richter aber erweichte sie nicht. Drei Jahre Haft im offenen Vollzug wegen schwerer räuberischer Erpressung und versuchter räuberischer Erpressung, lautete sein Urteil. Die „Rolle der armen leidenden Oma“ nahm er der mehrfachen Großmutter in der Begründung ausdrücklich nicht ab, sondern attestierte ihr Kaltschnäuzigkeit. Auch fand er es unglaubwürdig, dass Regina L., die 14 Jahre in einem Anwaltsbüro gearbeitet hatte, keinen anderen Ausweg aus ihrer Lage gesehen haben wollte als Überfälle.

Im Frühjahr 2003 erwarb Regina L. eine Schreckschusspistole und eine Perücke. Außerdem machte sie eine abgelegene Filiale der Berliner Sparkasse in Buch ausfindig. Mit S-Bahn und Taxi fuhr sie dort am 11. März vor, ließ den Fahrer warten – was den Richter besonders empörte –, ging hinein und schob der Angestellten einen Zettel zu: Geld her, in größeren Scheinen, sie sei bewaffnet mit einer Pistole und Nervengas. Als die Angestellte sie umstimmen wollte, zog sie die Pistole aus ihrer Tasche. Dass die nicht geladen war, konnte die Frau hinter dem Schalter ja nicht wissen. Sie gab Regina L. knapp über 8000 Euro. Genau sechs Monate später versuchte die räuberische Oma dieselbe Nummer in einer Postfiliale am Mariendorfer Damm. Aber die dortige Angestellte dachte an einen Scherz, als sie den Zettel mit der Drohung las. Sie kicherte auch gestern wieder, im Zeugenstand. Bedroht habe sie sich nicht gefühlt.

Regina L. ist eine bullige Frau mit grauer Lockenfrisur und roter Nase. Es ist von einem Alkoholproblem die Rede. Aus drei Ehen hat sie drei Kinder, aber die habe sie mit ihren Sorgen nicht belasten wollen. Ein Gutachter attestierte ihr verminderte Schuldfähigkeit, aus Einsamkeit habe sie Massen bei Versandhäusern eingekauft, sie sei depressiv gewesen.

Nach dem Urteil blühte sie auf. Bis zum Haftantritt wird sie von der U-Haft verschont. In ihrer Wohnung hatte die Polizei fünf weitere Zettel mit Geldforderungen gefunden. Seine Mandantin sei glücklich, sagte der Anwalt. Mit diesem Urteil könne sie fortsetzen, was sie im Gefängnis mit Hilfe von Schuldenberatern angefangen habe: ihr Leben in den Griff kriegen.

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