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Berlin: Drei Millionen Euro fürs Finanzamt

Großhändler Lehmann ist im Visier der Steuerfahndung. Jetzt muss er mit einer Anklage rechnen

„Eine Frechheit“ sei es gewesen, ihn zu verhaften, hatte der Getränkegroßhändler Horst Lehmann geschimpft. Wenige Tage vor dem 50-jährigen Jubiläum seiner Firma („Ick koof bei Lehmann!“) im Juli 2007 hatten Steuerfahnder die Potsdamer Firmenzentrale auf den Kopf gestellt und ihn sowie einen Geschäftsführer festgenommen und erst nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen. Auf Nachfrage versicherte Lehmann damals: „Bei uns ist alles ordnungsgemäß verbucht.“

Oder doch nicht? Jetzt hat die Firma nach Auskunft der Staatsanwaltschaft drei Millionen Euro hinterlegt. Da das Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist, soll das Geld wohl für Nach- und/oder Strafzahlungen ans Finanzamt bereitgestellt werden. Jedenfalls handele es sich nicht um eine Geldbuße, mit der sich die Firma die Einstellung des Verfahrens erkaufe, sagt Justizsprecher Michael Grunwald. Zum weiteren Gang der Dinge dürfe er sich nicht äußern, sagte Grunwald. Nach Tagesspiegel-Informationen dürfte demnächst eine Anklage wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder ein Strafbefehl auf Lehmann zukommen.

Lehmann war gestern nicht erreichbar. Ein leitender Mitarbeiter des 69-Jährigen bestätigte aber die Millionenzahlung. Die mutmaßliche Steuerhinterziehung soll auf einem speziellen Geschäftsmodell beruhen, bei dem sowohl Großhandel als auch Gastronomiebetriebe profitierten: Der Großhändler verkauft dem Gastronomen Getränke, verbucht das Geschäft aber nicht als gewerblichen Handel, sondern als „Bar-Abgang“ – so als wären die Getränke über die Ladentheke an Kleinabnehmer gegangen. Deshalb tauchten die Wirte nicht in Lehmanns Buchführung auf – und konnten die Ware ebenfalls ohne Quittung an ihre Gäste verkaufen. Laut Ermittlern konnten sie auf diesem Weg Umsatz- und Ertragsteuern hinterziehen.

Wer das Finanzamt betrügt, fällt meist unter das Steuergeheimnis, so dass über die konkreten Fälle wenig zu erfahren ist. Ein leitender Berliner Steuerfahnder weiß zu berichten, dass die Gastronomie-Branche besonders anfällig für solche Deals ist, bei denen Ware an der Steuer vorbei gehandelt wird. Manche Großhändler warnten ihre Kunden sogar, wenn es ihnen an den Kragen gehe, sagt der Fahnder.

Rund um Getränke-Lehmann war von rund 170 betroffenen Gastronomiebetrieben die Rede. Viele Verfahren sind abgeschlossen oder eingestellt, andere laufen nach Auskunft der Staatsanwaltschaft noch. Für den Großhändler ist die Sache auch insofern heikel, als er – im Gegensatz zu den Abnehmern – an jedem einzelnen Fall beteiligt ist. Spektakuläre Urteile sind bislang nicht bekannt geworden, aber die Computerprogramme der Fahnder werden immer besser: So kann ein Scanner auch einen Wust von Lieferscheinen durchforsten – und dann prüfen, ob der jeweilige Partner die richtigen Papiere hat.

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