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Exklusiv

Dreistufenplan: Berlin will Schlussstrich unter Bankenskandal ziehen

In drei Schritten aus der Milliarden-Falle: 21.000 Berliner Wohnungen in den Skandalfonds sollen an städtische Unternehmen verkauft und private Anleger abgefunden werden.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein Jahr nach dem gescheiterten Verkauf der Berliner Immobilien Holding (BIH) an einen britischen Investor will das landeseigene Unternehmen, das die Skandalfonds der ehemaligen Bankgesellschaft betreut, neue Wege gehen. Dafür hat Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) gemeinsam mit der neuen BIH-Geschäftsführung einen Dreistufenplan entwickelt, der nun im Abgeordnetenhaus beraten werden soll.

STUFE 1: WOHNUNGEN VERKAUFEN Die 21.035 Berliner Wohnungen und Appartements, die zu den Immobilienfonds gehören, sollen an die städtischen Wohnungsbaugesellschaften verkauft werden. Erste Gespräche dazu hat es gegeben. BIH-Geschäftsführer Roland Stauber versprach den Wohnungsunternehmen „einen fairen Deal“. Der Berliner Fondsbestand sei in einem „relativ erfreulichen Zustand“ und habe im vergangenen Jahr sogar einen Wertzuwachs erfahren, sagte er dem Tagesspiegel. Die BIH-Wohnungen sind in der Regel gut vermietet, allerdings mit hohen Krediten belastet. Die meisten Häuser stehen in Marzahn-Hellersdorf, Pankow und Spandau. Etwa in der Wasserstadt Oberhavel oder am Teterower Ring in Hellersdorf, aber auch Hochhäuser auf der Fischerinsel in Mitte zählen dazu. Und über 7000 möblierte Appartements der Arwobau, die zur BIH-Holding gehört.

Die BIH-Wohnungen in Berlin.
Die BIH-Wohnungen in Berlin.

© Tsp/Kroupa

STUFE 2: FONDS AUFKAUFEN Alle 29 Skandalfonds sollen bis Ende 2013 vollständig in Landeseigentum übergehen. Momentan halten noch 6000 der ursprünglich 69.000 privaten Fondsanleger eigene Anteile. Ausgestattet mit großzügigen Minderheitsrechten können sie nach wie vor wichtige Geschäftsentscheidungen der Fondsgesellschaften blockieren. Dazu gehört auch der Umgang mit dem Berliner Wohnungsbestand. Erst wenn dem Senat die Fonds zu 100 Prozent gehören, kann die BIH die bundesweit und sogar im Ausland verstreuten Liegenschaften ohne Rücksicht auf private Sonderinteressen managen. BIH-Chef Stauber rechnet 800 Privatanleger zum „harten Kern“, organisiert vom Steuerberater Thomas Schmidt in Essen. Einige dieser Zeichner klagen zur Durchsetzung ihrer Interessen vor Gericht.

Vor fünf Jahren hatte der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin begonnen, die privaten Fondsanteile zurückzukaufen. Dafür wurden bisher 1,9 Milliarden Euro ausgegeben. Jetzt sollen weitere 210 Millionen Euro in die Hand genommen werden, um die restlichen Anteile für das Land Berlin zu erwerben. Stauber gibt sich keinen Illusionen hin. „Das wird schwer.“ Bei den Privatanlegern geht seit Monaten die Angst um, dass die Fonds liquidiert oder in Aktiengesellschaften umgewandelt werden. In diesem Fall wäre es grundsätzlich möglich, die Minderheitsaktionäre gegen ihren Willen auszuschließen und abzufinden. Der Grünen-Haushaltsexperte Jochen Esser warnt allerdings vor den juristischen Risiken eines solchen Schritts. Der BIH-Chef will sich zu dem heiklen Thema nicht äußern. Er ermahnt nur die „Zocker“ unter den übrig gebliebenen Anlegern. Sie könnten nicht damit rechnen, sich ihre Anteile „vergolden“ zu lassen. „Wir werden nicht das Füllhorn über ihnen ausschütten.“

STUFE 3: SCHADEN MINIMIEREN Langfristig soll der Schaden aus dem Bankenskandal auf drei Milliarden Euro gesenkt werden. Das ist immer noch viel Geld, aber deutlich weniger als jene vier bis sechs Milliarden Euro, die bisher in der Diskussion waren. Das funktioniert aber nur, wenn der Wert der Immobilien steigt und die Schulden verringert werden. Ende 2011 waren die Fonds noch mit 4,3 Milliarden Euro Bankkrediten belastet. Dem steht ein Immobilienwert von 3,8 Milliarden Euro gegenüber. Zusätzlich haben BIH und Fondsgesellschaften ein Geldvermögen von 700 Millionen Euro. „Unsere Vermögensbilanz liegt also knapp im Plus“, sagt Stauber. In den nächsten 15 Jahren soll die Verschuldung der Fondsimmobilien aus eigener Kraft auf 2,1 Milliarden Euro verringert werden. „Wenn es keine wirtschaftlichen Katastrophen gibt, ist das realistisch“, sagt Stauber.

Die BIH, derzeit noch ein Konzern mit sieben Einzelgesellschaften und 350 Mitarbeitern, soll kurzfristig zu einem wettbewerbsfähigen Immobilienunternehmen umgebaut wird. Wenn alles nach Plan läuft, kann die staatliche Risikoabschirmung, mit der Berlin seit 2002 für die Folgen des Bankenskandals einsteht, durch eine normale Kreditbürgschaft ersetzt. Trotzdem muss das Land Berlin in den nächsten zwei Jahren noch einmal 750 Millionen Euro zubuttern: Für den Fondsrückkauf und für die Ablösung verbürgter Garantien. Davon kommen 280 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt und der Rest aus einer Rücklage von 4,6 Milliarden Euro, die 2007 aus dem Verkauf der Bankgesellschaft gebildet wurde. Insgesamt hat die Bankenaffäre dann fünf Milliarden Euro gekostet. Abzüglich des Immobilienvermögens bleibt wohl ein Schaden von drei Milliarden Euro.

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