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Drogendealer-Prozess: Das Kokain steckte im Kaffee-Container

Der Prozess gegen den Betreiber eines türkischen Kulturvereins in Charlottenburg, der mit Drogen gedealt haben soll, könnte platzen. Er und seine Komplizen wurden von Ermittlern erst angestiftet, glaubt die Verteidigung.

Ist Namik A. der Kopf eines internationalen Drogenschmugglerrings? Oder ist der 51-jährige Betreiber eines türkischen Kulturvereins in Charlottenburg erst durch einen V-Mann in Versuchung geführt worden, mit Drogen das schnelle Geld zu machen? Seit zwölf Verhandlungstagen müht sich die 25. Große Strafkammer am Landgericht, diese Frage zu klären. Ein Anruf aus einem Bremer Gefängnis hat nun den Eindruck verstärkt, dass die Strafverfolgungsbehörden Namik A. und fünf Mitangeklagte erst zum Schmuggel von 97 Kilogramm Kokain verführt haben könnten. Sollte sich dies bestätigen, droht der Prozess zu platzen.

Von einigen Tagen rief ein Bremer Strafgefangener einen der beiden Verteidiger von Namik A. an. Er habe über den Prozess in der Zeitung gelesen, sagte er – und ihm sei genau das Gleiche passiert. Der Anrufer war vom Landgericht Bremen wegen Beihilfe zum Handel mit 95 Kilogramm Kokain rechtskräftig verurteilt worden. Das schriftliche Urteil offenbart in der Tat erstaunliche Parallelen zum laufenden Verfahren.

In beiden Fällen agierte ein verdeckter Ermittler als Hafenarbeiter in Bremerhaven. Einmal nannte er sich „Klaus“, einmal „Peter“. Der Hafenarbeiter bot jeweils an, bei der Drogeneinfuhr behilflich zu sein. Von den Beschuldigten nach der Bezahlung gefragt, teilte er ihnen jeweils mit, er verlange 50 000 Euro. Im Bremer Fall befand sich das Kokain im Dezember 2009 in zwei Sporttaschen in einem Container mit Bananenkisten, im Berliner Fall im August 2011 in drei Sporttaschen in einem Kaffee-Container. „Klaus“ und „Peter“ nannten den identischen Supermarktparkplatz als geeigneten Ort, um die Drogen umzulagern. „Klaus“ und „Peter“ sind nach Überzeugung der Verteidiger ein und dieselbe Person. Ihr Mandant sei „offensichtlich“ zwei Jahre lang „nach einem bereits bestehenden Drehbuch durch die Ermittlungsbehörden geführt“ worden, sagte Marcel Kelz, der zweite Verteidiger von Namik A. vor Gericht.

Eine Person aus dem Umfeld von Namik A. hatte dem Zollfahndungsamt Hannover im September 2009 den Tipp gegeben, dass A. in seinem Kulturverein mit Heroin handele. Die Zöllner informierten das Berliner Landeskriminalamt (LKA). Und obwohl sich der Hinweis auf Heroin nicht bestätigte, gaben die Ermittler nicht auf. Ein zweiter V-Mann namens „Moharrem“ wurde auf A. angesetzt. Dieser gab sich als Drogendealer aus, gemäß der Ermittlerweisheit, „dass man sich nur unter seinesgleichen offenbart“, wie es ein Zollbeamter dem Gericht schildert. Statt Namik A. dazu zu bringen, seine mutmaßlichen Lieferwege zu offenbaren, berichtete „Moharrem“ ihm von der Möglichkeit, in Bremerhaven Drogen am Zoll vorbeizuschmuggeln. Namik A. biss an. Am 18. August 2011 nahm er dort 97 Kilogramm Kokain in Empfang und wurde festgenommen.

Die Bremerhaven-Offerte sei keineswegs von Anfang an im Detail geplant gewesen, sagt ein LKA-Beamter vor Gericht. Er spricht von einem „fortlaufenden Prozess“. Der V-Mann hat auf Namik A. reagiert, nicht andersherum, soll das bedeuten. Die Verteidigung hingegen spricht von „Fremdsteuerung“ ihres Angeklagten. Der Prozess zeigt, wie schwer sich dies überprüfen lässt.

V-Männer sind keine Beamte, sondern Personen, die gegen Geld Informationen liefern. Der Staat schützt sie, indem er ihre Identität geheim hält. Ein Beamter hält als V-Mann-Führer den Kontakt zu ihnen. Ihm berichtet der Informant, was er über illegale Geschäfte herausgefunden haben will. Die Protokolle über diese Treffen unterliegen der Geheimhaltung. Weder die Staatsanwälte noch die Verteidigung oder das Gericht kennen sie.

Der Mann, der den Heroinhinweis gegeben hat, arbeite seit „mehreren Jahren“ als Zoll-Informant, sagte sein V-MannFührer vor Gericht. Er sei „äußerst zuverlässig und glaubwürdig“. Ein LKA-Beamter sagte auch über „Moharrem“, sie arbeiteten bereits seit mehr als zehn Jahren „vertrauensvoll zusammen“. Überprüfen können die Prozessbeteiligten das nicht.

„Dafür habe ich keine Aussagegenehmigung“, ist in Variationen die meist genannte Antwort der Beamten vor Gericht. Die Leitung des Zollfahndungsamtes Hannover hat ihnen untersagt, mehr zu verraten als den Inhalt des Fax an das LKA, das sich ohnehin in den Prozessakten befindet. Weil es die Identität des V-Mannes offenbaren könnte. Oder die Arbeit der Ermittler gefährde.

Der Vorsitzende Richter will sich nun die Akten schicken lassen, die den Bremer Anrufer ins Gefängnis brachten. Auch er spricht von „auffälligen Ähnlichkeiten“. Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.

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