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Dubiose Geschäfte: Überteuerte Immobilien: Notare legen Ämter nieder

Kammerfunktionäre ziehen sich bis zur Klärung der Vorwürfe zurück Verbraucherzentrale beobachtet Zunahme dubioser Geschäfte.

Von Sabine Beikler

Das Geschäft mit sogenannten Schrottimmobilien blüht in Berlin. Insider schätzen, dass in diesem Jahr rund 4000 Immobilien weit über Wert verkauft wurden. An den lukrativen Geschäften zu Ungunsten der Verbraucher verdienen nicht nur Makler, Vertriebsgesellschaften, Banken, Verkäufer, sondern auch Notare. Zu den bekannten Größen zählt die Branche etwa 15 der rund 900 Berliner Notare. Selbst Funktionäre der Notar- sowie der Rechtsanwaltskammer haben nach Tagesspiegel-Informationen Verträge zum Schaden von Verbrauchern beurkundet. Am Montag teilte die Notarkammer mit, dass ihr Schatzmeister Frank Leithold seine Funktion bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen lässt, Gleiches gilt für Joachim Börner, Schatzmeister der Rechtsanwaltskammer. Leithold ist auch Vorsitzender der Beschwerdeabteilung in der Notarkammer gewesen. Dies bestätigte die Kammer auf Anfrage des Tagesspiegels.

Der Anwalt der Kanzlei Wollmann & Partner legt Wert auf die Klarstellung, dass die Vorwürfe „frei erfunden“ seien und „jeglicher Grundlage“ entbehren würden. Die Notare Leithold und Börner hätten sich „absolut korrekt verhalten“.

Nachdem Vorwürfe gegen Ex-Justiz- und Verbraucherschutzsenator Michael Braun (CDU) bekannt geworden waren, er habe als Notar ebenfalls Angebote für Schrottimmobilien beurkundet, bestätigte die Notarkammer innerhalb von Stunden, dass er korrekt gehandelt habe. Gegen Braun lägen keine Beschwerden vor. Unterdessen wurden immer mehr Fälle bekannt, bei denen Brauns Kanzlei Angebote von Schrottimmobilien beurkundet hatte. Der CDU-Politiker verwickelte sich in Widersprüche und bat nach innerparteilichem Druck vor einer Woche um seine Entlassung als Senator.

Nach Brauns Rückzug hatte der Präsident des Landgerichts als Dienstaufsichtsbehörde der Notare, Bernd Pickel, Betroffene aufgerufen, sich zu melden. Seitdem seien 15 bis 20 Beschwerden eingegangen, teilte ein Gerichtssprecher auf Anfrage mit. Auf welche Notare sich diese beziehen, ließ das Gericht mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte offen. 2010 hatte das Landgericht in 71 Fällen dienstaufsichtsrechtliche Schritte gegen Notare eingeleitet. 2011 waren es bisher 85 Fälle.

Nicht nur Anwälte, sondern auch die Verbraucherzentrale Berlin hat regelmäßig mit Verbrauchern zu tun, die unwissentlich überteuerte Immobilien gekauft haben. Geschäftsführer Peter Lischke sagt, dass die Verkäufe solch dubioser Immobilien im Vergleich zu den Vorjahren wieder „deutlich steigen“. Der Immobilienkauf als selbst genutzte Altersvorsorge sei mit einer guten Finanzierung sinnvoll. Aber bei der Anwerbung über „cold Calls“, das sind Telefonanrufe, die häufig als Umfragen getarnt sind, bei denen mit Steuerersparnissen geworben werden, sollten bei jedem „die Warnlampen angehen“. Vor jedem Wohnungskauf heiße die Devise: „erst anschauen, dann kaufen“. Ein getäuschter Käufer habe Lischke erst am vergangenen Freitag erzählt, dass sich eine „Infozentrale Ökoberatung“ bei ihm gemeldet habe. Es ging am Telefon um Steuersparmodelle. Nach einer „Beratung“ kam es beim Notar zum Verkauf einer Schrottimmobilie. Der Notar ist Insidern bekannt. Es ist M. Manfred Oehme mit Kanzlei in Grunewald. Eine Stellungnahme gab die Kanzlei auf Nachfrage nicht ab.

Notare haben nicht die Wirtschaftlichkeit einer Immobilie zu bewerten. Doch sollen sie darauf „hinwirken“, dass der Käufer versteht, was er unterschreibt. Bei Schrottimmobilien ist die umstrittene Aufspaltung des Verkaufs in Angebot und Annahme typisch. Angebot klingt unverbindlich. Der Käufer ahnt nicht, dass er sich damit für bestimmte Zeit zum Kauf verpflichtet. Der Verkäufer muss das Angebot nur noch mit der „Annahme“ beurkunden. Dann ist das Geschäft besiegelt.

Die Bundesnotarkammer warnt vor der Aufspaltung der Verträge, die „in der Regel“ nicht zulässig ist. „Der Notar muss darauf hinwirken, dass alle Beteiligten an einem Tisch sitzen“, sagt Thomas Diehn von der Bundesnotarkammer. Es könne jedoch Gründe dafür geben, wenn beide Parteien zum Beispiel weit entfernt voneinander wohnen. Notarkammern anderer Bundesländer wie Bayern akzeptieren eine Vertrags-Aufspaltung nur, wenn ein „sachlicher Grund“ vorliegt. Andere Notarkammern nennen diese Praxis standeswidrig. Die Bundesnotarkammer hat dies in einem Rundbrief 2007 auch zum Ausdruck gebracht. In Berlin gilt nur die Richtlinie, dass auf die „Schutz- und Belehrungsfunktion“ bei solchen Geschäften „besonders“ zu achten sei. Juristen fordern seit langem eine Präzisierung. Gestern teilte die Notarkammer nun mit, ihre „Standesrichtlinie“ verschärfen zu wollen.

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