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Berlin: Durchbruch um jeden Preis

Die Schlacht um die Seelower Höhen war eine der blutigsten des Zweiten Weltkriegs Heute wird im dortigen Museum die neue Dauerausstellung eröffnet.

Seelow - So viele Besucher wie bei der letzten großen Ausstellungseröffnung im Museum „Seelower Höhen“ sind an diesem Sonnabend nicht zu erwarten. Damals drängten sich 4000 Menschen auf dem Platz vor dem nachgebauten Beobachtungsstand von Marschall Schukow. Die wenigsten kamen freiwillig: Schulklassen, Arbeitsbrigaden und Soldaten waren geschlossen zur Feier abkommandiert worden. Das Datum erklärt die besonderen Umstände: 16. April 1985, also zur Blütezeit der Propaganda.

Der heutige Chef der „Gedenkstätte und Museum Seelower Höhen“, Gerd-Ulrich Herrmann, stellt sich für den Vormittag auf mehrere Dutzend Ehrengäste ein. Auch Ministerpräsident Matthias Platzeck hat sich angekündigt. „Wir präsentieren eine völlig neue Ausstellung, die mit den Vorgängern nichts mehr zu tun hat“, sagt Herrmann. „Wir erinnern nicht nur an die Schlacht zwischen der Roten Armee und der Wehrmacht, sondern stellen auch die Geschichte des schon im November 1945 erstmals als Gedenkstätte eröffneten Ortes dar.“

Vor allem erfährt der Besucher erstmals die Umstände, warum es ausgerechnet auf dem rund 70 Kilometer langen Höhenzug am Oderbruch zwischen dem 16. und 19. April 1945 zu einer der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges kam. Damals standen hier rund 908 000 Rotarmisten, die von Tausenden polnischer Soldaten unterstützt wurden, etwa 200 000 Wehrmachtsangehörigen und Volkssturmleuten gegenüber. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt, doch Experten sprechen von mindestens 100 000 Toten. Bis heute werden Leichen und Kriegsgerät im Boden gefunden. Marschall Schukow hatte damals den Befehl, unbedingt vom Oderbruch auf Berlin vorzustoßen und den deutschen Widerstand zu brechen.

Rund anderthalb Jahre dauerte die Neugestaltung der nur 100 Quadratmeter großen Ausstellung. Acht Medienstationen gibt es jetzt. Hier kann der Besucher Zeitzeugeninterviews hören und auf einem Computerbildschirm weitere Details erfahren. Außerdem stehen jetzt Audioguides in Deutsch, Englisch, Polnisch und Russisch zur Verfügung. Hier steht neben allerlei Kriegsgerät auch das Denkmal eines Rotarmisten, das der Bildhauer Lew Kerbel schon ein halbes Jahr nach dem Ende der Schlacht schuf. Erst danach wurden die Ehrengräber für die gefallen sowjetischen Soldaten angelegt, während die deutschen Opfer vor allem auf Gemeindefriedhöfen ihre letzte Ruhe fanden.

Auch Protokolle der Stasi hängen jetzt in der Ausstellung. Die Genossen der Außenstelle des Ministeriums in Frankfurt (Oder) notierten bei der Ausstellungseröffnung 1985 durchaus sehr kritische Stimmen von Teilnehmern. Diese bemängelten beispielsweise die hohen Ausgaben für das Museum, während die Schäden des Krieges noch immer nicht beseitigt seien. Friseure und Versicherungsvertreter beklagten sich über die erzwungene Teilnahme, während Jugendliche sogar von „hohen Parteibonzen“ und einem „Hochschaukeln“ der Ausstellung gesprochen hätten. Heute kommen zwar nur jährlich einige zehntausend Besucher ins Museum, aber alle freiwillig.

Weitere Infos unter

gedenkstaette-seelower-hoehen.de

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