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Berlin: E+1= minus

VON TAG ZU TAG Bernd Matthies greift den Postboten ein wenig unter die Arme Nichts stimmt so zuverlässig traurig wie der Blick in die sog. gute alte Zeit.

VON TAG ZU TAG

Bernd Matthies greift den Postboten ein wenig unter die Arme

Nichts stimmt so zuverlässig traurig wie der Blick in die sog. gute alte Zeit. Als ein Brief, mit Theodor Heuss’ Profil frankiert, 20 Pfennig kostete, morgens und mittags ausgetragen wurde, und das durch den Briefschlitz der Wohnungstür. Heute kostet er 55 Cent und wird in den Hausbriefkasten geworfen, und zwar entweder morgens oder mittags. Oder abends oder am nächsten Tag.

Seien wir ehrlich: Kein Privatmensch braucht heute noch zwei Zustellungen am Tag, erst recht nicht mehr, seit Faxsendungen und E-Mails nun wirklich zu jedem gewünschten Zeitpunkt verzögerungsfrei eintreffen. Aber es ist auch verständlich, dass Anwaltskanzleien oder Steuerberater wenigstens einmal täglich versorgt werden wollen, und zwar nicht nach Büroschluss. Außerdem hat uns die Post ja lange genug und mit viel Brimborium davon zu überzeugen versucht, dass die Formel E+1 – am nächsten Tag ist alles da! – eine Art Evangelium darstellt. Das ist Geschichte, seit klar ist, dass die Briefträger ihre immer weiter ausufernden Touren nur noch mit viel Glück in zehn Stunden schaffen.

Aber wo steht eigentlich, dass die Flut von dicken Katalogen und Werbe-Sondermüll unbedingt vom Postboten gebracht werden muss? Könnte er sich auf das Wesentliche konzentrieren, gäbe es viele Probleme einfach nicht. Der neue Quelle-Katalog darf gern ein paar Tage warten.

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