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Berlin: Eckdaten in Britz

Haushalt, Personal und wachsendes Berlin: Worüber der Senat am Montag sprechen wird.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) wird den Kollegen im rot-schwarzen Kabinett wohl eine gute Botschaft überbringen: Das arme Berlin kommt in den nächsten Jahren ohne neue Kredite aus, jedenfalls solange die Wirtschaft boomt. Voraussichtlich kann der Schuldenberg (62 Milliarden Euro) sogar ein bisschen abgetragen werden. Auf einer Klausurtagung im Gutshof Britz will der Senat am Montag die Eckdaten für den Haushalt 2014/15 beschließen.

Schon im vergangenen Jahr wurde im Landesetat ein Überschuss von 315 Millionen Euro erwirtschaftet, trotz erheblicher finanzieller Belastungen durch den Flughafen BER. In den nächsten zwei Jahren könnten weitere 500 Millionen Euro getilgt werden – vielleicht auch mehr. Hohe Steuereinnahmen, niedrige Zinsen, öffentliche Investitionen auf niedrigem Niveau und Mehreinnahmen aus diversen Quellen machen das möglich. Der neue Landeshaushalt wird voraussichtlich im Juni vom Senat vorgelegt.

Allerdings muss der Senat bei der Wirtschaftsförderung umdenken, die aus Mitteln der EU bestritten wird. Denn in der Förderperiode 2014 bis 2020 steht weniger Geld als bisher zur Verfügung, Zahlen wurden noch nicht genannt. In der auslaufenden Periode 2007 bis 2013 erhielt das Land Berlin aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung 875 Millionen Euro. Kopfzerbrechen macht dem Senat auch, dass nur 20 Prozent der laufenden Projekte, die von Brüssel subventioniert werden, unverändert fortgesetzt werden können. Denn ab 2014 gelten neue Förderkriterien: Der Klimaschutz und eine forschungsintensive, mittelständisch geprägte Wirtschaft rücken in den Vordergrund. Bislang wurde in Berlin viel mit der Gießkanne gefördert. Der Senat muss sich in seiner Klausurtagung den Kopf über neue Förderschwerpunkte zerbrechen, die den strengen EU-Anforderungen genügen.

Ein weiteres Thema der Senatsklausur ist Berlin als „wachsende Stadt“. Die amtlichen Demografen erwarten, dass die Einwohnerzahl bis 2030 um 254 000 Menschen wächst (auf 3,75 Millionen Euro). Das entspricht einer Großstadt wie Mönchengladbach. Das Durchschnittsalter wird um zwei Jahre auf 44,2 Jahre steigen. Die Zahl der Hochbetagten über 80 Jahre wird sich fast verdoppeln, aber auch die Zahl der schulpflichtigen Kinder wird um 20 Prozent steigen. Das wird sich vor allem in der City bemerkbar machen. Die Politik muss darauf reagieren, nicht nur mit dem Bau neuer Wohnungen und Schulen. Bildungspolitik und Stadtentwicklung, Sozial- und Gesundheitssysteme, Verkehrs- und Versorgungsunternehmen müssen die Herausforderung annehmen.

Das vierte Problem, über das der Senat in Britz hinter verschlossenen Türen beraten will, ist die Personalentwicklung im öffentlichen Dienst. Angesichts einer überalterten Landesverwaltung, die zu wenig Nachwuchskräfte ausbildet und immer noch schrumpft, muss jede Senats- und Bezirksbehörde erstmals für den Haushalt 2014/15 ihren Ausbildungs- und Einstellungsbedarf bis 2018 ermitteln. In Zukunft soll der öffentliche Dienst mit 100 000 Vollzeitstellen auskommen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Da in den nächsten fünf Jahren 30 000 Beamte und Angestellte in den Ruhestand gehen, muss schnell für qualifizierten Nachwuchs gesorgt werden. Und für eine ordentliche Bezahlung, die dem bundesweiten Gehaltsniveau entspricht, damit sich gute Leute nicht nur bei Bundesbehörden bewerben oder abwandern.

Mit der ganztägigen Sitzung am Montag setzt der Senat die Tradition der Haushaltsklausuren fort, seit den neunziger Jahren ein Pflichtprogramm der Landesregierung. Ulrich Zawatka-Gerlach

Seite 1, Leitartikel

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