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Berlin: Edler Neuling

Zum ersten Mal gibt es einen Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt – gestern wurde er eröffnet

Am schönsten ist die Musik. Und die Umgebung. Wenn auf der Bühne vor den wuchtigen Säulen vom Schauspielhaus livehaftig „Tochter Zion“ geblasen wird oder aus den Boxen Harfen klingen und Motetten singen, dann wird einem auch schon 30 Tage vor Heiligabend weihnachtlich ums Herz. Wer die Chance hat, diese Kulisse für einen Weihnachtsmarkt zu nutzen, kann eigentlich nicht viel falsch machen. Er muss sich dem Ort anpassen, mit Stil alles Aufdringliche vermeiden. So geschieht es seit gestern auf dem Gendarmenmarkt. Der „Weihnachtszauber“ lebt vom Platz – und der Platz wird durch eine stimmungsvolle Attraktion bereichert.

Das fängt schon mit dem Baum an. Berlin scheint allergisch gegen alle und jeden, der uns Krüppelkiefern andreht – aber hier kann sich der Chef der südlichsten Gemeinde Deutschlands getrost mit seinem Berliner Amtskollegen vor dem Prachtstück fotografieren lassen. Die 17 Meter hohe „gescheite“ Fichte mit ihren ausladenden Zweigen stammt aus einem Gebirgswald nahe Oberstdorf und wurde von der Gemeinde im Oberallgäu gespendet. Und ringsum: weiße Zelte, von Herrnhuter Sternen bekrönt.

Was suchen wir? Das Besondere. Lange hatte man über einen Markt an diesem Ort gestritten. Für Roncalli war die Vorbereitungszeit zu kurz, von fünf Bewerbern erhielt Helmut Russ aus Schleswig-Holstein den Zuschlag. Sein Motto: „Schauen, Staunen und Genießen“. Daraus wurde ein wenig Opernpalais-Markt plus Kunst und Architektur. Wir treffen manches, was es auch anderswo gibt, Schmuck, Textilien, Kerzen, Holzsachen. Dazwischen: Überraschungen. Voll unzähliger Kinderträume ist ein Zelt mit hunderten Figuren, Pyramiden, Spieldosen – wer hier seinen kompletten Baumschmuck kauft, wird wohl den extra installierten Geldautomaten frequentieren. Es gibt Töpfer, Steinbildhauer, man kann Messer und Scheren schleifen lassen oder zuschauen, wie Schafwolle gesponnen und auf einem 200 Jahre alten Webstuhl aus der Prignitz verarbeitet wird. Zum Mitnehmen locken Nürnberger Lebkuchen, Süßwaren und „freche Früchtchen“, ganze Batterien verschiedener Marmeladen, Matjes von Gosch und, ja, auch mal eine Bratwurst. Von ganz anderem Kaliber sind da die Speisen der Anlieger-Restaurants Lutter & Wegner (Kaiserschmarrn 4,50 Euro, Gulasch mit Spätzle 4 Euro) oder vom Lafayette (Entenkeule auf Champignons 8,50, mit Rotkohl 10,50 Euro), Crêpes 3 Euro. Guy ist auch da und Hilton. Anderswo gibt es für 3,50 Euro Grünkohl mit Knacker, ohne weißes Linnen. Für jeden etwas. Mit Kultur-Garnitur für einen Euro.

Wahrscheinlich muss man diesen edlen Neuling unter den über 40 Berliner Weihnachtsmärkten am Abend rezensieren, wenn Lichtlein glühen, die Feuerzangenbowle züngelt, wenn Kinder Märchen hören, Chöre singen und Trompeten Bach blasen.

Gestern Vormittag ging die Feierlichkeit ein wenig im ganz unromantischen Protest der Studenten unter, die überall da sind, wo sich der Regierende Bürgermeister blicken lässt. „The Striking Singers“ und selbst gebackene „Studienplätzchen“ passten sogar zu diesem Zauber. Hanns Peter Nerger, Chef von Berlin-Tourismus Marketing, ist sich sicher, dass der Markt ein Erfolg wird, weil er „das Weihnachtliche“ präsentiert, und Klaus Wowereit war zufrieden: Wieder etwas Neues für unsere Gäste und für alle Berliner.

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