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Berlin: Eduardo Chillida: Nackter Beton, Holzbohlen und offene Schächte

Während die eingeladenen VIPs direkten und kurzen Zugang zum Ehrenhof des künftigen Kanzleramtes hatten, kam der Kanzler gestern Mittag aus der hinteren Region, früher hätte man Dienstboteneingang gesagt. Er verließ seinen Wagen an der Paul-Löbe-Allee in Sichtweite der Kongresshalle, marschierte am Bauarbeiter-Imbiss vorbei, passierte zügigen Schritts 20 Meter windige Tordurchfahrt seines neuen Amtes, musste dabei auf ausgelegte Holzbohlen achten.

Während die eingeladenen VIPs direkten und kurzen Zugang zum Ehrenhof des künftigen Kanzleramtes hatten, kam der Kanzler gestern Mittag aus der hinteren Region, früher hätte man Dienstboteneingang gesagt. Er verließ seinen Wagen an der Paul-Löbe-Allee in Sichtweite der Kongresshalle, marschierte am Bauarbeiter-Imbiss vorbei, passierte zügigen Schritts 20 Meter windige Tordurchfahrt seines neuen Amtes, musste dabei auf ausgelegte Holzbohlen achten.

Und schon war der Ehrenhof erreicht, wo ihm eine Menge von Gästen erwartungsvoll entgegenblickte. Es galt, die Skultpur "Berlin" von Eduardo Chillida zu enthüllen. Und etliche glaubten tatsächlich, es gebe irgendwo einen roten Knopf, den Gerhard Schröder nur zu drücken brauchte. Aber der Kanzler blickte nach kurzer Rede himmelwärts, streckte einen Arm in die Höhe, gab mit dem Zeigefinger ein kreisförmiges Zeichen. Das Enthüllen sollte über den Köpfen aller ein Kranführer besorgen, der nun einen Hebel in Bewegung setzte und 30 Meter darunter das Kunstwerk lüftete. "Ist doch schön, nicht?", rief Gerhard Schröder, fast alle Gäste klatschten höflich und erfreut, und wem sich das rostfarbene Gebilde nicht gleich erschließen konnte, der hielt mit seiner Meinung diplomatisch hinter dem Berg.

Die Enthüllung der Skulptur war für die Ehrengäste, unter ihnen auch Innensenator Eckart Werthebach als Vertreter des Regierenden Bürgermeisters, willkommene Gelegenheit, sich den Neubau anzusehen, soweit die eng vorgegebenen Wege und kritischen Augen von Ordnungsleuten es überhaupt zuließen. Viel gab der 465-Millionen-Bau noch nicht von sich preis, einen bereits fertigen "Info-Saal" im ersten Stock, aber auch nackten Beton und offene Leitungsschächte. Hinter großen Glasfronten sah man in Bürolandschaften, die auf Leben, zumindestens aber Fußbodenbelag warteten. Aber Ende des Jahres soll alles weitgehend fertig sein, richtig bezugsbereit und technisch vollendet dann im Frühjahr.

Der Ehrenhof selbst, der gestern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, sah vor drei Wochen schon mal fertiger aus, obwohl ihm doch damals die Skultpur fehlte, dieses "kraftvolle, auf Annäherung dringende Werk, das zur politischen Wirklichkeit passt", wie der Kanzler formulierte. Die bauliche Wirklichkeit steckt noch voller Gerüste und Hindernisse, und der dreiseitig umbaute Ehrenhof, der in wenigen Monaten die wichtigste Empfangskulisse des Landes darstellen wird, sieht noch wie der Hof eines edlen Baustoffhandels aus. Zufahrten fehlen, dafür gibt es Sandberge und provisorische Zäune und alle Zutaten, die zum regen Baugeschehen gehören. Aber der Eindruck, der sich Staatsgästen beim Ausstieg aus ihren Limousinen bietet, konnte von den Gästen schon vorempfunden werden: Der Blick voraus auf die Betonsäulen des Kanzleramts, der Blick zurück auf die Betonwände des nahen Bundestagsneubaus und den Reichstag - an der Optik ändert sich nicht mehr viel.

Es sei denn, zwischen dem Ehrenhof und dem östlich benachbarten, ebenfalls noch unfertigen Bundesstagsbau entsteht ein weiterer Bau als öffentliches Forum, wie es Kanzleramts-Architekt Axel Schultes immer wieder hartnäckig anmahnt: Als Bestandteil des städtebaulichen Wettbewerbs Spreebogen und letztes Glied des von ihm so genannten "Band des Bundes".

Nach gut einer Viertelstunde hatten der Ehrenhof samt Skulptur ihren ersten großen Auftritt schon wieder hinter sich. Der Kanzler marschierte wenig später zurück durch die hintere, zügige Toreinfahrt, am Bauarbeiter-Imbiss vorbei. Brathering mit Bratkartoffeln für 6 Mark waren im Angebot. Der Kiosk wird dem Kanzler bald weichen.

Christian van Lessen

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