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Berlin: Ehrenmal: Wie Schnee im Sommer

Der Weg Anatolij Protopopovs nach Berlin "führt durch den Krieg", wie er sagt. Sechzig Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion ist der 78-jährige Veteran aus Moskau angereist, um Blumen am Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten niederzulegen.

Der Weg Anatolij Protopopovs nach Berlin "führt durch den Krieg", wie er sagt. Sechzig Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion ist der 78-jährige Veteran aus Moskau angereist, um Blumen am Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten niederzulegen. "Es ist Krieg", war das erste, was der junge Rotarmist am Morgen des 22. Juni 1941 in seiner Kaserne in Pskov hörte. "Wir waren auf nichts vorbereitet", erinnert er sich. "Es fiel wie Schnee auf unsere Köpfe." Er habe viele russische Freunde verloren, aber nach dem Krieg auch neue, deutsche hinzugewonnen: "Kämpfer für den Frieden."

Serhii Romaskevych sieht ein bisschen müde aus in seiner Paradeuniform eines Obersten. Der Verteidigungsattaché an der Botschaft der Ukraine ist morgens um drei Uhr aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. "Mein Herz", sagt er, "war sehr schwer an diesem schweren Tag für unser Volk." Gleich wird er einen Kranz am Ehrenmal im Tiergarten niederlegen. Er denke an seine Eltern, sagt Romaskevych. Der Vater war während des gesamten Krieges Pionier, die Mutter war Krankenschwester bei Stalingrad und wurde verwundet. Nach seinen Gefühlen befragt zu werden, überrumpelt den Militär ein bisschen. "Obwohl ich ein erwachsener Mann bin, kommen mir heute die Tränen", bekennt er, und wendet sich mit einer Entschuldigung ab.

Ganz still sind die Kinder von der russischen Botschaftsschule. Die 10-jährige Vera denkt an die Geschichten, die ihr die Großeltern in Moskau jetzt öfters erzählen. Sie waren damals kleine Kinder. Wenn die Großmutter schildere, wie sie sich bei Fliegeralarm im Keller versteckt habe, werde sie sehr traurig, sagt Vera.

Der russische Botschafter, Sergej Krylow, war einer der ersten, die am Ehrenmal der Toten gedachten. Danach stand er so lange im Spalier der Diplomaten und Politiker, bis auch das letzte Kind seine rote Nelke niedergelegt hatte. Was empfand er in diesen Minuten? "Ein Gefühl der Bitterkeit, dass diese schrecklichen Ereignisse, die vor 60 Jahren begannen, 1418 Tage andauern sollten", sagt Krylow. Aber wenn er hochblickte, habe er die vielen Menschen gesehen, die Russen, die Deutschen, die Alten, die Kinder, im Gedenken vereint. Darunter waren auch Franz Müntefering für die SPD und Gabriele Zimmermann für die PDS.

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