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Berlin: Ehrharts Angel – immer im Dienst für Berlins Innensenator

Dagmar K. schützt Politiker. Als „Bodyguard“ möchte sie sich nicht bezeichnen lassen

Selbst in ihrer Freizeit kann Dagmar W. nie abschalten. Wenn sie mit einer Freundin im Café sitzt, observiert sie automatisch ihre Umgebung, taxiert die anderen Besucher, ob sich jemand verdächtig benimmt. Sensibel zu sein für alles, was in ihrer Umgebung passiert, gehört zu ihrem Job. Sie muss Gefahren schon erkennen, bevor sie überhaupt für alle sichtbar, spürbar werden. „Sowas läuft ganz automatisch ab. Auch im Privaten", sagt die 42-Jährige. Die Polizeioberkommissarin ist Kommandoführerin beim Personenschutz. Mit ihrem Team von neun Leuten ist sie seit drei Jahren für den Rundumschutz des Berliner Innensenators Ehrhart Körting zuständig. Seit Wochen haben Dagmar W. und ihr Team noch mehr zu tun als sonst: „Herausragende Ereignisse" nennt die Polizei das, was anstand: Der israelische Staatspräsident besuchte Berlin, die OSZE-Konferenz mit US-Außenminister Colin Powell fand statt und am Gendarmenmarkt wurde mit viel Politik-Prominenz der Beitritt der neuen EU-Länder gefeiert. Dagmar W. und ihre Kollegen waren dabei. Zum Team gehört auch ihr Stellvertreter Marco P. Zusammen verbringen sie mit ihren Kollegen mehr Zeit miteinander als mit ihren Lebenspartnern. Die Einsätze dauern mindestens zehn Stunden; „nach oben hin ist alles offen". Viel Zeit für Privates bleibt da nicht. Kinder hat Dagmar K. nicht. Auch ihr Mann ist bei der Polizei; sie haben einen Hund.

Die Kommandoführerin lehnt sich auf ihrem Bürostuhl zurück. Vor kurzem hat sie sich drei Wochen lang beim Tauchen auf den Malediven erholt. Doch wenn Dagmar W. über sich und ihren Job erzählen soll, schwindet die Entspanntheit. Ebenso wie bei ihrem großen, blonden Kollegen: Sie müssen beide aufpassen, nicht zu viel zu verraten. Personenschutz ist eine sensible Angelegenheit. Sich aus Eitelkeit nach vorne zu drängen, das darf es im Team nicht geben. Sie machen ihren Job im Hintergrund. „Jeder Tag, an dem nichts passiert, ist ein erfolgreicher Tag", sagt Dagmar W.

Seit 18 Jahren ist sie beim Personenschutz - eine der anspruchsvollsten Aufgaben bei der Polizei. Sie war die erste Frau, die 1986 in die Welt der Männer mit Knopf im Ohr aufgenommen wurde. Momentan gibt es in bei der Berliner Polizei nur vier Frauen überhaupt, die im Personenschutz arbeiten. Sie hat sich getraut, sich zu bewerben, und die harten Tests, bei denen die „physische und psychische Stärke" auf die Probe gestellt werden, gemeistert. Bevor sie Körtings Schützerin wurde, durfte sie unter anderem die Queen, Maggie Thatcher, Richard von Weizsäcker, die ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Jerzy Kanal und Andreas Nachama und viele andere schützen. Ihre Pistole zücken musste Dagmar W. noch nie. Ebenso wenig wie ihr Kollege. „Aber es geht ja schon um viel mehr vorher: Wir müssen drängelnde Journalisten abwehren oder Farbbeutelwürfe verhindern", sagt Marco P.

Einen hundertprozentigen Schutz könne man nie garantieren, sagen die Beamten. Natürlich denken sie an die Attentate auf Politiker wie Wolfgang Schäuble und Oskar Lafontaine. Oder an den Angriff auf den Hamburger Justizsenator Roger Kusch. Aber der hatte zu der Zeit gar keinen persönlichen Schutz: Einen Beamten vom LKA, der rund um die Uhr auf einen aufpasst, bekommt nur, wer laut „Gefährdungsanalyse" der Experten als „zu schützende Person" eingestuft wird.

Im Team müssen alle alles machen. Mal sind Dagmar W. und ihr Kollege „Aufklärer". Dann sondieren sie den Ort, zu dem der gefährdete Politiker gefahren wird, vorher: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen im Dunklen in den Keller: Dann tasten Sie sich auch langsam und systematisch vor", erklärt Marco P. So verhalten sich die Personenschützer: Wo sind Fluchtwege, Neben- und Noteingänge? Wo lässt sich das Auto vorfahren? Oder sie sind – wie Dagmar W. so häufig – ganz nah am Mann. Dann sitzt sie in der Limousine des Politikers, vorne auf dem Beifahrersitz. Doch während der Politiker telefoniert oder Akten durchsieht, arbeitet auch Dagmar W.: Hoch konzentriert beobachtet sie den Verkehr, schaut nach Motorrädern, die zu dicht auffahren und Autos, die ihrem Wagen folgen.

„Dass wir körperlich viel trainieren und regelmäßig unsere Leistungsnachweise erbringen, versteht sich in unserem Job von selbst", sagt der blonde Marco P.. Boxen, Selbstverteidigung, Kraft- und Ausdauersport stehen ständig auf dem Trainingsplan. „Jeder von uns macht zudem privat viel Sport." Dabei gehe es nicht darum, möglichst als „breitschultriger Gorilla" aufzutreten. Deshalb möchten sich die Schützer vom LKA auch nicht gern als „Bodyguards" bezeichnen lassen. Damit verbindet sich für sie zu sehr das Klischee der glatzköpfigen Männer mit breitem Kreuz, die engagiert sind, um Promis zu schützen „und allein durch ihr Auftreten eine Welle machen".

Denn darauf käme es nun mal nicht an. „Bei uns hat jeder seine Aufgaben", sagt Marco P. Im richtigen Moment das richtige Gespür zu haben und schneller, besser zu sein, als der Angreifer – das sei es, was einen guten Personenschützer ausmacht. Dagmar W. weiß durch ihre lange Berufserfahrung, was sie kann. Auf einem Foto in ihrem Büro sieht man sie mit einem langen, silberfarbenen Kleid und Stöckelschuhen auf dem Presseball. Sie ist auch hier im Einsatz. Wo sie ihre Waffe versteckt hat, erzählt sie nicht.

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