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EICHWALD & Ich FOLGE  2: Anziehender Typ

Aus meinem WG-Leben mit einem Bundestagsabgeordneten.

„Keinen Schritt weiter!“, ruft Eichwald, als ich morgens die Küche betreten will. „Gar kein Problem“, sage ich. „Wenn’s an der fehlenden Hose liegt: Ich bin beim Sockenanziehen hingefallen und ...“ – „Irgendwelche Metallteile am Körper?“, fragt Eichwald. „Herzschrittmacher? Piercings?“ Erst jetzt fällt mir der große, mit blauen Styroporflocken gefüllte Karton auf, in dem Eichwald mit beiden Armen konzentriert herumraschelt.

„Nur zum Verständnis ...“, sage ich. „Ist da noch was anderes drin oder ist das so was, was man macht, um sich wieder jung zu fühlen?“ – „Scheiße!“, ruft Eichwald. „Für 50 Euro muss der doch größer sein!“ Empört zieht er einen kleinen, flachen Metallring aus dem Karton. „Ja, oder nicht?“, fragt er. „Wumms“, antwortet der Ring, der sich samt Eichwalds Hand in Richtung Deckenlampe bewegt hat. „Oh, toll, ein Supermagnet!“, sage ich. „Pflaster? Oder Akkuschrauber?“

„Magnetangeln?“, frage ich später, als Eichwald mehrere Minuten lang ein rotes Seil, an dem er den Magneten befestigt hat, aufrollt. „Nach deiner neulich nachts in die Spree gefallenen Sonnenbrille? Und da braucht man keinen Schein für oder so?“ – „Quatsch“, sagt Eichwald. „Nur, wenn man Fische fängt. Und die sind ja nicht magnetisch.“ Er zieht seine Jacke an. „Oder? Ich meine: wegen des Quecksilbers?“ Dann verschwindet er im Hausflur.

„Pass beim Rausgehen bloß auf den Briefkasten auf“, rufe ich, „der ist auch aus ...“ – „Wumms!“, schallt es durchs Treppenhaus.

„Also, warum sollte ich sofort alles stehen und liegen lassen und auf dem schnellsten Weg herkommen?“, frage ich zwei Stunden später. Eichwald lehnt beiläufig an einem Brückengeländer über der Spree. „Ich brauch mal eine zweite Meinung“, flüstert er, schaut sich in alle Richtungen um und gibt mir das Seilende in die Hand.

„Und jetzt guck mal“, sagt er und zeigt mir sein Smartphone, nachdem ich den braunen Metallbehälter bis zur Wasseroberfläche gezogen habe. „Wenn ich bei Yahoo ‚Tellermine‘ suche ...“ Ich schaue ihn an. „Du benutzt Yahoo?“ – „Vorschlag: Du klärst das kurz mit dem Kampfmittelräumdienst, ich setz’ zu Hause schon mal eine Kanne Tee auf, und dann würde ich sagen, kriegst du zusätzlich am Wochenende noch sturmfrei.“ – „Okay“, sage ich, „aber dann will ich auf jeden Fall mit dem Taxi zurückfahren.“ – „Mh...“, sagt Eichwald und zeigt mir einen einsamen 100 Euro Schein in seinem Portemonnaie. „Das passt schon!“, sage ich und will zugreifen, als Eichwald einen Schritt zurückgeht. „Ohoho!“, sagt er. „Besser nicht bewegen.“ – „Steck’s mir einfach in die Hosentasche.“ – „Ja, ne“, sagt Eichwald. „Wenn das jemand sieht, so direkt vor der Bundespressekonferenz ...“

„Aber ich setze schon mal den grünen Tee auf“, ruft er beim Weggehen. – „Früchte!“, schreie ich. „Früchte! Sonst kann ich doch wieder nicht schlafen!“

Stefan Stuckmann

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