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EICHWALD & Ich FOLGE  6: To Russia with „One Love“

Aus meinem WG-Leben mit einem Bundestagsabgeordneten.

Ich stehe gerade vor dem geöffneten Kühlschrank, als rechts auf dem Boden zwei weiße Socken auftauchen. Ich schließe die Tür. „Kak zivia savuht?“, fragt Eichwald. Ich schaue ihn an. „Na, wie du heißt!“, sagt er. „Ach so. Stefan, aber das weißt du doch!“ Eichwald schüttelt den Kopf. „Nein“, sagt er, „jetzt machst du’s dir zu einfach!“ Er blättert in seinem Wörterbuch. „Das heißt minja... dowote...“ – „Russisch?“, frage ich. Eichwald nickt. „Wegen Sotschi“, sagt er. – „Warst du nicht dafür, das ganz abzusagen?“ Eichwald dreht sich kurz um, dann tritt er einen Schritt auf mich zu. „Nein, nein“, flüstert er, „das war eine Finte ...“

„Weil: Das ist ja politisch das Beste, was dir passieren kann“, erklärt Eichwald mir kurz darauf, „wenn du weißt, die Sache ist eh schon gelutscht, das wird jetzt keiner mehr absagen, weil ein MdB aus Bochum ein bisschen Krawall macht, dann kannst du schön aus der Gegenposition auf die Kacke hauen und trotzdem alles mitnehmen.“ – „So wie letzte Woche“, frage ich, „als du dich aufgeregt hast, weil ich zu viele Bratkartoffeln gemacht habe und dann trotzdem alle aufgegessen hast?“ – „Nee, das war wegen Afrika. Da hatte ich gerade wieder ,Heal the World’ gehört. Das hat mich nachdenklich gemacht. Wegen den Kindern und so. Da fand ich dich einfach ein bisschen verschwenderisch. Aber es muss ja weg!“

„Okay“, sage ich, „und wie war das jetzt mit dir und Olympia?“ Eichwald setzt sich zu mir. „Also“, sagt er, „besorgt war ich natürlich schon länger. Menschenrechtsmäßig. Aber richtig reingegrätscht bin ich erst im Juli, das war in meinem Newsletter ,iChwald Online’, weißt du? Also iChwald nur mit i, wie iPod.“ Ich nicke. „Bis Mai hieß der ja noch ,Eichwald im Quartal’, aber jetzt ist das psychologisch viel stärker, da lesen die Leute meinen Namen und assoziieren den mit was Modernem.“ – „Weiß nicht“, sage ich. „Eben“, sagt Eichwald, „alles unterbewusst.“

„Und das hat bei mir im Wahlkreis schon Wellen geschlagen“, erklärt Eichwald mir wenig später, „also dass ich sage, hier: ,Sotschi absagen!’ Aber unter uns: Das geht natürlich auch nur, weil keiner auf mich hört. Weil wenn ich sagen würde ,Absagen’ und dann sagen die wirklich ab, dann stell dir mal vor, wie die Russen da alle stehen auf den leeren Pisten, stinkesauer, und dann sind daran auch wieder die Homosexuellen schuld.“ Ich nicke. „Und deshalb fährst du jetzt doch?“ – „Jaja, notgedrungen. Aber schau mal hier ...“, sagt Eichwald, springt auf und verschwindet im Flur. Als er zurückkommt, hat er ein buntes Badetuch dabei. „Hier, Regenbogen!“, sagt er. „Hab ich in Spanien am Strand gekauft. Da kann ich an den Heilquellen schön ein Zeichen setzen.“ – „Ja, Moment“, sage ich, „aber da fehlen doch die Blautöne. Das ist ein Rastafari-Handtuch.“ Eichwald streckt die Arme aus und betrachtet das Tuch. „Nee, Stefan, da vertust du dich. Hier steht das doch extra, schau mal: ,One Love!’“

Stefan Stuckmann

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